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Haftung von Onlineplattformen
für Urheberrechtsverletzungen durch Kunden



von Miriam Angelstorf *

Erstveröffentlichung: 1. Februar 2017


Ist man exklusiver Inhaber von tausenden Bildrechten, möchte man diese ge­schützt wissen. So ging es auch einer Serienklägerin im Fall Perfect 10, Inc. v. GigaNews, Inc. Nach Klagen gegen Amazon und Google wehrte sich Perfect 10 erneut gegen die Verbreitung von Bildern, an denen sie die Urheberrechte inne­hat. Sie ging nun gegen den Usenet-Betreiber GigaNews vor.

Ähnlich wie beim Anbieter eines Kopiergerätes oder eines Internetzugangs stellt sich bei einem Benutzer-Netzwerk wie dem Usenet die Frage, wer für Rech­te­ver­let­zungen durch die Nutzer haftet. Über ein Usenet werden Informationen ver­schie­de­ner Nutzer untereinander ausgetauscht. Zudem gibt es Anbieter, die den Austausch und Download von urheberrechtlich geschütztem Bild­ma­te­rial und sonstigen Datenbeständen ermöglichen. Erhält ein Usenet-Betrei­ber Kennt­nis von Urheberrechtsverletzungen und wünscht der Betreiber eine Haf­tungs­beschrän­kung, muss dieser den rechteverletzenden Inhalt nach dem Digital Millenium Copyright Act sperren.

Das Bundesberufungsgericht des neunten Bezirks der USA in San Francisco entschied am 23. Januar 2017 dennoch gegen die Berufungsklägerin. Obwohl unstreitig war, dass Nutzer des Usenet-Betreibers urheberrechtlich geschütztes Bildmaterial der Berufungsklägerin unerlaubt verwendet hatten und die Betrei­be­rin dieses nicht gelöscht hatte, gelang ihr der Nachweis der kausalen Rech­te­ver­letzung durch die Betreiber nicht.

1. Unmittelbare Rechteverletzung - Direct Infringement

Das Gericht verlangte von der Berufungsklägerin, dass sie ihr Eigentum am Urheberrecht des angeblich verletzten Materials nachweist und zudem beweist, dass die Berufungsbeklagte gegen mindestens eines der gemäß 17 U.S.C. ยง 106 an die Urheberrechtsinhaberin übertragenen exklusiven Rechte verstoßen hat. Als dritte Voraussetzung stellte das Gericht in aller Deutlichkeit auf das Erfordernis der Kausalität ab, vgl. Fox Broad. Co. Inc. v. Dish Network LLC

Volitional Conduct sei eine Grundvoraussetzung der Ursächlichkeit der un­mit­tel­ba­ren Rechteverletzung; führt auch Justice Scalia in der Supreme Court-Ent­schei­dung American Broadcasting Cos. Inc. v. Aereo Inc. aus. Auch wenn der Digital Millenium Copyright Act eine verschuldensunabhängige Haftung vor­schreibt, hat die Rechtsprechung in CoStarGroup Inc. v. LoopNet, Inc. das Kri­te­rium des Volitional Conduct deutlich herausgearbeitet, um die Haftung insoweit einzuschränken, als dass ein willentliches und ursächliches Verhalten der rechteverletzenden Person erforderlich ist. Die Verletzung eines Ver­viel­fäl­ti­gungs­rechts muss also durch die Berufungsbeklagte aktiv verursacht worden sein.

Den Volitional Conduct konnte die Berufungsklägerin nicht nachweisen, weil die Berufungsbeklagte die Plattform für ihre Nutzer lediglich passiv zur Verfügung stellt und eben gerade nicht willentlich und unmittelbar ursächlich an der Rech­te­ver­letzung mitwirkt. Dadurch, dass die Nutzer der Plattform durch Bildbeiträge die Rechte der Berufungsklägerin aktiv verletzen und die Usenet-Betreiber durch das Zurverfügungstellen der Plattform nur passiv beteiligt seien, müsse eine direkte Verletzungshandlung der Berufungsbeklagten abgelehnt werden.

Auch ihr Argument, dass GigaNews durch das Zurverfügungstellen eines da­tei­en­konvertierenden Reader-Programms die urheberrechtlich geschützten Materialien kopiert und unmittelbar darstellt, drang nicht durch. Die aktiven Handlungen der Nutzer seien den Usenet-Betreibern nicht zuzurechnen. Während im Fall Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc. unstreitig war, dass Google Thumbnail-Versionen von urheberrechtlich geschützten Bildern selbst aktiv speichert und dann an seine Nutzer übermittelt1, liege bei GigaNews eben nur ein passives Speichern der streitgegenständlichen Werke auf Betreiben der Nutzer vor. Aus einer solchen automatisierten oder von Nutzern betriebenen Speicherung und auch der da­rauf folgenden Verbreitung von urheberrechtlich geschützten Daten sei keine wil­lent­liche und ursächliche Verletzungshandlung der Berufungsbeklagten abzuleiten.

2. Mitursächliche Rechteverletzung - Contributory Infringement

Auch im Hinblick auf eine mitursächliche Rechteverletzung scheitert die Ar­gu­mentation der Berufungsklägerin. Das Berufungsgericht gelangt zu dem Ergebnis, dass - neben der fehlenden Kenntnis - ein wesentlicher Beitrag der Be­ru­fungs­beklagten GigaNews oder gar von ihr induzierte Urheberrechts­ver­let­zun­gen schon nicht hinreichend dargelegt wurden.

Ein wesentlicher Beitrag zur Urheberrechtsverletzung ist laut Perfect 10, Inc. v. Amazon.com, Inc. unter folgenden Voraussetzungen gegeben:
1.   Der Sytembetreiber muss tatsächliche Kenntnis davon haben, dass be­stimm­tes urheberrechtsverletzendes Material auf seinem System verfügbar ist.
2.   Sodann muss er einfache Mittel ergreifen können, um weiteren Schaden von den urheberrechtlich geschützten Werken abzuhalten.
3.   Entscheidet er sich jedoch, den Zugang zu den verletzten Werken weiterhin aufrechtzuerhalten, so leistet er den für die mitursächliche Rechteverletzung erforderlichen wesentlichen Beitrag.

In diesem Fall war der Berufungsbeklagten das Löschen eines Beitrages im Use­net möglich, wenn die weltweit eindeutige Kennzeichnung des Beitrages - die Message-ID - bekannt und maschinenlesbar war. Die Betreiberin konnte al­ler­dings beweisen, dass das Löschen der urheberrechtsverletzenden Beiträge für sie schwer und unverhältnismäßig aufwendig ist, weil die Berufungsklägerin in den meisten ihrer Löschungsaufforderungen lediglich nicht maschinenlesbare Message-IDs angab. Das Berufungsgericht folgt dem Vortrag der Beru­fungs­be­klagten, dass eine manuelle Aufarbeitung aufgrund der Vielzahl der Beiträge faktisch unmöglich sei. Im Ergebnis ist der Berufungsbeklagten das Löschen der Beiträge ohne Message-ID nicht zumutbar, obwohl sie aufgrund der Löschungs­auf­for­derungen tatsächliche Kenntnis von den Urheberrechts­ver­let­zun­gen hat. Ein wesentlicher Beitrag zur mitursächlichen Rech­te­ver­let­zung scheitert demzufolge an der zweiten Voraussetzung.

Im Hinblick auf die vier in Columbia Pictures Indus., Inc. v. Fung beschriebenen Voraussetzungen für eine induzierte Urheberrechtsverletzung, namentlich
(1) die Verbreitung eines Geräts oder Produkts;
(2) die Verletzungshandlung;
(3) das Ziel Urheberrechtsverletzungen zu fördern und schließlich
(4) die Kausalität,
habe die Berufungsklägerin gänzlich unergiebig vorgetragen. Eine induzierte Urheberrechtsverletzung lehnt das Gericht schon deshalb ab, weil sich aus den Beweismitteln nicht ergeben könne, dass Ziel des Use­net-Zu­gangs der Berufungsbeklagten die Förderung von Urheberrechtsverletzungen sein sollte.

3. Haftungszurechnung - Vicarious Infringement

Schlussendlich scheiterte auch der Vortrag zu einer Haftungszurechnung. Eine solche setze nämlich voraus, dass die Berufungsbeklagte neben dem Recht und der Möglichkeit die Verletzungshandlungen anderer zu kontrollieren, auch einen finanziellen Vorteil aus der Rechteverletzung erlangt, vgl. Perfect 10, Inc. v. Visa Int'l Serv., Ass'n.

Zwar ist der Usenet-Zugang für Nutzer entgeltlich; daraus lässt sich aber nicht der erforderliche kausale Zusammenhang zwischen einer Rechteverletzung und dem daraus folgenden finanziellen Vorteil herleiten, vgl. Ellison v. Robertson.

Zudem sei der Vortrag der Berufungsklägerin bezüglich der Haftungszurechnung nicht mit den Article III Standing-Voraussetzungen der U.S. Constitution vereinbar. Danach muss der Kläger (1) einen tatsächlichen Schaden erlitten haben, der (2) nachweislich auf dem vorgeworfenen Verhalten des Beklagten beruht und welcher (3) durch richterliche Entscheidung im Wege des Schadensersatzes wiedergutgemacht werden kann, vgl. Spokeo, Inc. v. Robins.

Die Berufungsklägerin konnte beweisen, dass sich einige Nutzer wohl deshalb für GigaNews als Usenet-Anbieter entschieden hatten, weil sie dadurch generell Zugang zu urheberrechtsverletzendem Material erhielten. Dieser zusätzliche Vorteil genügte dem Untergericht und dem Berufungsgericht aber nicht als Nach­weis dafür, dass Nutzer ausschließlich wegen des Zugangs zu Bildmaterial von Perfect 10 ein Abonnement bei GigaNews abschlossen. Ein di­rek­ter fi­nan­ziel­ler Vorteil könne daraus nicht folgen. Und weil vom Untergericht festgestellt wurde, dass schon kein finanzieller Vorteil vorlag, ließ das Berufungsgericht offen, ob die Berufungsbeklagte überhaupt das Recht und die Möglichkeit hatte, die Verletzungshandlungen zu kontrollieren.

4. Tragweite des Beschlusses

Die Berufungsklägerin scheiterte im Ergebnis vollumfänglich mit ihrem Vorhaben, die ihr übertragenen Urheberrechte zu schützen. Die Beschlussbegründung erläutert lesenswert in aller Ausführlichkeit die unterschiedlichen urheberrecht­li­chen Anspruchsgrundlagen bei direkten und indirekten Verletzungshandlungen. Dabei stellt das Berufungsgericht heraus, dass in der Rechtsprechung Einigkeit darüber besteht, dass Volitional Conduct eine Grundvoraussetzung der un­mit­tel­baren Haftung ist.

Auch für eine mittelbare Haftung erfordert das Berufungsgericht das subjektive Element der Kenntnis von der Rechtsverletzung. Zudem beschränkt es die Haftung, indem es ein zumutbares und umsetzbares einfaches Mittel für die Beseitigung einer Rechteverletzung verlangt. So besteht für die Berufungs­klä­gerin in diesem Fall auch weiterhin die Möglichkeit, ihre Urheber­rechte zu schützen, indem sie Löschungsaufforderungen mit maschinenlesbaren Message-IDs an die Usenet-Betreiber richtet.

Das Berufungsgericht legt einen weiteren Schwerpunkt auf die Herausarbeitung der kausalen Beziehung zwischen Rechtsgutsverletzung und Verletzungshandlung, beziehungsweise Schaden. Die Voraussetzungen der Haftung sowie der aus dem deutschen Deliktsrecht bekannten haftungs­begründen­den und -aus­füllenden Kausalität schlüsselt das Berufungsgericht für jede Art der Rechteverletzung ansehnlich und nachvollziehbar auf.

Nach mehr als zehn Jahren Rechtsstreit hat das Berufungsgericht nun endlich eine wegweisende Entscheidung erlassen und die Voraussetzungen für die Haftung von Onlineplattformen wie GigaNews, Google und Amazon klar abgesteckt.


Fuß­noten

1   Vgl. Mittelstädt, Googles Haftung für Urheberrechtverletzungen durch seine Bildersuchmaschine, 17 German American Law Journal (17. Juli 2008), http://www.amrecht.com/mittelstaedtgoogle2008.shtml


* Miriam Angelstorf ist derzeit Rechtsreferendarin am Landgericht Düsseldorf. Dort war sie im Amtsjahr 2015/2016 Vorsitzende des Personalrats der Rechtsreferendare. Sie studierte Rechtswissenschaften an der Universität Passau und der Monash University in Melbourne, Australien. Studienbegleitend absolvierte sie die Fachspezifische Fremsprachenausbildung für Juristen in Englisch. Dieser Beitrag entstand während ihrer dreimonatigen Wahlstation bei Berliner Corcoran & Rowe LLP in Washington, D.C. unter der Leitung des deutsch-amerikanischen Rechtsanwalts Clemens Kochinke, Attorney at Law.


Zitierweise / Cite as: Angelstorf, Haftung von Onlineplattformen für Urheberrechtsverletzungen durch Kunden, 26 German American Law Journal (1. Februar 2017), http://www.amrecht.com/angelstorf-betreiberhaftung-copyright-usa.shtml