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Geheime Honorarzahlung im Class-Action-Vergleich: Verlust der RA-Zulassung

Von Clemens Kochinke *
Erstveröffentlichung 4. April 2003

Am 2. Dezember 2002 entschied das für anwaltliche Disziplinarverfahren zuständige Gericht in Washington, dass ein Rechtsanwalt und Juraprofessor, der einen Class-Action-Vergleich mit einer geheimen Honorarzahlung abschloß, seine Anwaltszulassung verliert. Der Fall ist von besonderer Bedeutung für die immer häufigeren Class-Action-Fälle, in denen die Kläger mit einem Gutschein oder einer Kaufpreiserstattung abgespeist werden, während die Anwälte sich vom Gegner fürstlich honorieren lassen. Sowohl für Korrespondenzanwälte der Klassenmitglieder als auch Beklagtenvertreter wird mit dieser Entscheidung das Glatteis ersichtlich, auf dem gewisse Usancen wuchsen, die schon länger standesrechtliche Zweifel gestatteten.

Sachverhaltsfeststellungen des Gerichts

Professor Mark M. Hager, der auch als Rechtsanwalt zugelassen war, hatte sich von zwei Personen mit medizinischem Hintergrund mandatieren lassen, gegen die Entlausungsmittelherstellerin Warner Lambert ("WL") wegen Fehlerhaftigkeit ihres Entlausungsmittels vorzugehen. Der Mandatsvertrag bestimmte, dass 100 Mitkläger zu finden und dann eine Anspruchsgeltendmachung im Rahmen einer Sammelklage, der Class Action, zu beginnen sei. Als Honorar wurde eine Erfolgsbeteiligung vorgesehen. Während die ersten Mitglieder der Klägergruppe über eine Webseite um neue Mitglieder warben, recherchierten Hager und sein Korrespondenzanwalt. WL nahm bald Verbindung zum Korrespondenzanwalt auf.

Kurz darauf unterrichteten die beiden Anwälte die Mandanten, dass sie einen Vergleich mit WL erzielt hätten, ohne jedoch seine Bedingungen offenzulegen. Er sieht vor, dass WL den 90 bekannten Klassenmitgliedern den Kaufpreis erstattet, einen Forschungsauftrag über die Wirksamkeit von Entlausungsmitteln erteilt, Werbeaussagen ändert und den Anwälten $225.000 als Honorar zahlt. Die Anwälte müssen den Vergleich ebenso wie die Klassenmitglieder und die Ergebnisse aller Recherchen geheimhalten und Verfahren gegen WL wegen dieses Produkts unterlassen. Sie dürfen jedoch die Klassenmitglieder über die Kaufpreiserstattung, den Forschungsauftrag und die Werbeänderung unterrichten. Nach den Erkenntnissen des Disziplinargerichts ist unstrittig, dass WL bei Verzicht der Anwälte auf das Honorar die Geheimhaltung nicht verlangt hätte. Auf Mandantenanfrage über den Inhalt des Vergleichs reagierte Hager mit der eingeschränkten Auskunft sowie dem Hinweis darauf, dass keine 100 Mitglieder gefunden worden und damit der Mandatsvertrag nicht wirksam geworden sei. Die erste Mandantin leitete daraufhin das Disziplinarverfahren ein.

Gerichtliche Sanktionen

Der Berufungsgericht des District of Columbia als Oberster Gerichtshof und Disziplinargericht in Washington, DC beurteilte diese Tatsachen als sehr schwerwiegenden Verstoss gegen das Standesrecht, siehe In re: Mark M. Hager, Slip. Op. 01-BG-995, December 19, 2002. Er erlaube den Verweis aus der Anwaltschaft. Da Hager bisher noch nicht standesrechtlich aufgefallen war und sich den Belangen der Oeffentlichkeit gewidmet hatte, entschied das Gericht darauf, ihn für ein Jahr aus der Anwaltschaft zu verbannen. Zu seiner Wiederzulassung muss er nachweisen, dass oder wie er das anstössige Honorar herausgaebe. Diese Bedingung stellt eine Neuheit bei den Sanktionen für Standesrechtsverstösse dar.

Gerichtliche Begründung

Das Gericht begründete die Entscheidung mit dem Verstoss gegen acht standesrechtliche Bestimmungen. Dieser löst "ernsthafte Zweifel der Allgemeinheit an der Integrität von Rechtsanwälten" aus. Nur mildernde Umstände rechtfertigten die recht milde Massnahme, der jedoch durch die Honorarerstattungspflicht Nachdruck zu verleihen sei.

Das Geheimhalten des Vergleichsinhaltes wurde vom Gericht besonders scharf gerügt. Es stellte einen klassischen Fall des Interessenskonfliktes fest: "... his interest in maximizing his fee versus his clients' interest in maximizing the amount paid to them." Hager hatte den Interessenskonflikt nicht durch die Offenlegung gegenüber den Mandanten gelöst, und eine ambivalente Klausel im Mandatsvertrag über die mögliche Honorarzahlung durch einen unterliegenden Gegner sei nicht als vorweggenommene Genehmigung eines möglichen Konfliktes anzusehen.

Der Anwalt habe allein die Angemessenheit des Ergebnisses seiner Bemühungen beurteilt und dem Mandanten das Recht der Entscheidung entzogen: "It is the client, not the attorney, who decides whether full or acceptable relief has been obtained. The conflict of interest rule . . . is designed to assure that the attorney pursues the client's objectives as the client views them, unaffected by any personal interest of the attorney in the outcome."

Verwandte Trends

Diese Entscheidung entspricht Trends, die sich auch im Standesrechtsentwurf der grössten Anwaltsvereins der USA, der American Bar Association, niedergeschlagen haben. Nach Rule 5.6(b) der ABA Model Rules of Professional Conduct darf ein Anwalt keine Beschränkung auf die zukünftige Annahme von Mandaten gegen einen bestimmten Kläger zustimmen. Dies schliesst auch die Verwertung von Kenntnissen ein, die im Rahmen eines anderen Mandates erworben wurden. Diese Kenntnis unterliegt zwar der Einschränkung, dass sie nicht verwertet werden dürfen, solange sie nicht öffentlich bekannt sind, vgl. ABA Standing Committee on Ethics and Professional Responsibility, Op. 00-417 (2000). Bekanntes Wissen muss jedoch zugunsten neuer Mandanten verwandt werden, wenn es der Durchsetzung ihrer Rechte dient. Dieses Verwertungsrecht kann ein Rechtsanwalt nicht wirksam zu Lasten zukünftiger Mandanten aufgeben, siehe Hu-Friedy v. General Electric Co., No. 99C 0762 (N.D. Ill. 1999). Dies gilt auch, wenn die Verwertung vertraulicher, in einem Verfahren gewonnener Informationen, die durch eine gerichtliche Verfügung verboten ist, in einem nachfolgenden Verfahren untersagt werden soll, weil dies einem unwirksamen Berufsausübungsverbot gleichsteht. Vgl. Cohen, Pause Before You Settle - Ethics Rules May Not Allow Lawyers to Forgo Future Suits, ABA Journal 32 (April 2003).


* Der Verfasser ist Partner in der Washingtoner Wirtschaftskanzlei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP, siehe www.BCR.us.

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