German American Law Journal :: Articles Edition
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Sexual Harassment-Probleme

Erstveroeffentlichung: 21. September 1999.

Von Claudius Taubert *

Im vergangenen Jahr sind in den USA mehrere Gerichtsentscheidungen ergangen, die die Haftung des Arbeitgebers in Fällen sexueller Belästigung am Arbeitsplatz immer stärker ausweiten. Drei Entscheidungen des Supreme Courts (oberstes Bundesgericht) des letzten Jahres bestätigen diese Tendenz. Das Urteil im Fall Oncale v. Sundowner Offshore Serv. Inc. erlaubt ausdrücklich, dem Arbeitgeber sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz, die durch einen seiner Beschäftigten begangen wurde, zuzurechnen. Die Haftung wird im Fall Burlington Indus. v. Ellerth sogar noch verschärft, da der Arbeitgeber auch dann für die Belästigungen einzustehen habe, wenn dem Opfer kein greifbarer arbeitsbezogenener Schaden entstanden ist. Im Fall Faragher v. City of Boca Raton hat das Supreme Court schliesslich sogar eine Haftung des Unternehmens für sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz durch Vorgesetzte bejaht, selbst wenn der Arbeitgeber keinerlei Kenntnis von den Vorfällen besass.

In Fällen, in denen der Kläger keinen materiellen Schaden erlitten hat (dies wird in der Regel der Fall sein), steht dem Arbeitgeber, wie sich aus Burlington Indus. v. Ellerth ergibt, folgende zweistufige Verteidigungsmoeglichkeit offen. Zunächst muss dargelegt werden, dass der Arbeitgeber seiner Sorgfaltspflicht, sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz zu unterbinden, in vertretbarem Masse nachgekommen ist. Ausserdem muss bewiesen werden, dass der Arbeitnehmer es versäumt hat, präventive oder korrektive Massnahmen durch den Arbeitgeber zu seinem Schutz auszunutzen. Aus diesen beiden Erfordernissen geht somit klar hervor, dass schnellstmöglich effektive Schritte zur Verbesserung der Situation unternommen werden müssen. Ansonsten ist eine Haftung des Arbeitgebers unter Titel VII des Civil Rights Act 1964 wahrscheinlich, was beträchtliche Kosten (u.a. Gehaltsnachzahlungen mit Zinsen, Vorauszahlungen, Entschädigungsleistungen, sowie Schadensersatz f&uauml;r emotionale Verletzungen und ggf. auch Strafschadensersatz) zur Folge haben kann.

Obere Bundesgerichte (Circuit Courts) hatten sich in einigen neueren Entscheidungen mit dem Umfang der Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers näher zu befassen. Präventiv ist dieser danach verpflichtet, die Beschäftigten in seinem Betrieb über Vorgangsweisen des Unternehmens gegen mögliche Fälle sexueller Belästigungen zu informieren. Am zweckmässigsten dürfte es daher (zumindest in kleineren Betrieben) sein, alle Beschäftigten ein entsprechendes Formular unterzeichnen zu lassen, mit dem klarstellenden Inhalt, dass der Unterzeichnende die internen Richtlinien des Unternehmens zur Kenntnis genommen und verstanden hat. Wenn tatsächlich Anschuldigungen wegen sexueller Belästigung auftreten, sind nachfolgende Schritte durch den Arbeitgeber zu empfehlen, um eine Haftung zu vermeiden: Grundsätzlich muss dem Opfer fair, einfühlsam und mit Respekt begegnet sowie ihr/ihm versichert werden, dass die Firma Vergeltungsaktionen Mitbeschäftigter aufgrund der Meldung der Vorfälle keinesfalls dulden wird (vgl. Montero v. AGCO Corp. 1998, Kalifornien). Natürlich müssen dann auch die notwendigen Massnahmen tatsächlich eingeleitet werden, um jedwede Vergeltungsaktionen zu verhindern.
Ausserdem sollte in jedem Fall auch ein Gespräch mit dem vermeintlichen Täter stattfinden, um die Begründetheit der Anschuldigungen zu klären. Sachlichkeit u. Fairness sind hier besonders wichtig. Ansonsten können vorschnelle Massnahmen, wie z. B. eine fristlose Entlassung, möglicherweise einen Prozess wegen unberechtigter Köndigung des Arbeitsverhältnisses zur Folge haben, wenn sich die Anschuldigungen im nachhinein als unrichtig erwiesen haben.

Im Fall McKenzie v. Miller Brewing Co., Milwaukee wurden so einem Geschäftsführer, der fälschlicherweise der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz beschuldigt und demzufolge ohne ordentliche Untersuchung des Falles sofort entlassen worden war, 26 Mio. Dollar an Schadensersatz und Strafschadensersatz zugesprochen. Durch eine sorgfältige Untersuchung der Vorfaelle unter Berücksichtigung aller vorhandenen Beweismittel und schnellstmoegliche Gegenmassnahmen kann einer potentiellen Haftung des Arbeitgebers aber in der Regel wirksam begegnet werden.
Im Fall Corcoran v. Shoney's Colonial, Inc., Virgnia 1998 entlastete sich der Arbeitgeber von der Haftung, indem er die gemeldeten Vorfälle sofort untersuchte und innerhalb einer Woche geeignete Massnahmen veranlasste, um den Kontakt zwischen Opfer und Täter auf ein Minimum zu reduzieren.

Nach Durchführung einer gründlichen Untersuchung müssen dann selbstverständlich auch umgehend alle notwendigen Mittel eingesetzt werden, um die Belästigungen tatsächlich zu unterbinden und auch mögliche zukünftige Belästigungen anderer Mitarbeiter zu verhindern. Durch die unverzügliche Untersuchung der Vorfälle und sofortige Unterbindung der Belästigungen können zumindest Strafschadensersatzansprüche ("punitive damages") wirksam vermieden werden. Nochmals sei jedoch darauf hingewiesen, vorschnelle Reaktionen zu vermeiden, da eine fälschliche Bezichtigung der sexuellen Belästigung durchaus einen, durch den zu Unrecht verdächtigten Arbeitnehmer initiierten, Verleumdungsprozess nach sich ziehen könnte. Insbesondere ist eine vernünftige EMail-Politk und eine vorsichtige Unterweisung der Beschäftigten durch das Unternehmen entscheidend, um eine Blossstellung des Betroffenen nach aussen zu vermeiden.

Abhilfe gegen das Risiko des Arbeitgebers, hohen Prozesskosten und Schadensersatzansprüchen ausgesetzt zu werden, kann neben oben angefuehrten Vorsichtsmassnahmen als Basis einer wirksamen Verteidigung natürlich auch der Erwerb einer angemessenen Versicherungdeckung sein. Eine sogenannte "Employment Practices Liability Insurance" beinhaltet normalerweise die Freistellung von Verteidigungskosten sowie die Begleichung von vergleichs- oder urteilshalber festgestellten Ansprüchen gegen den Arbeitgeber aus dem Arbeitsverhältnis (inklusive Ansprüche wegen Diskriminierung oder sexueller Belästigung am Arbeitsplatz).

Darüber hinaus ist aber auch den potentiellen Tätern vor Augen zu halten, dass diese durchaus auch persönlich wegen sexueller Belästigung am Arbeitslatz haften können. In früheren Entscheidungen wurde eine individuelle Haftung zwar meist verneint, da unter Titel VII, Civil Rights Act 1964, dem Wortlaut nach nur Unternehmen, Gesellschaften und Gewerkschaften als "Arbeitgeber" verklagt werden können. Mittlerweile kann eine Haftung jedoch nicht mehr mit Sicherheit ausgeschlossen werden, da in einigen neueren Urteilen eine persönliche Haftung von Arbeitnehmern gem. Titel VII, Civil Rights Act 1964 damit begründet wird, dass Vorgesetzte und mittleres, im Einzelfall sogar auch unteres, Management als "Vertreter" des Arbeitgebers eingestuft werden. Ausserdem besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit einer Klage wegen sexuelle Belästigungen aus unerlaubter Handlung. Dabei kann durchaus in manchen Fällen der Täter persönlich haften, obwohl der Arbeitgeber keiner Haftung unterliegt (vgl. Steele v. Offshore Ship Building, U.S. Court of Appeals for the Second Circuit).


*Der Verfasser war im September 1999 Praktikant bei der Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe LL.P. in Washington D.C.und heute wieder an der Uni Trier, wo er Rechtswissenschaften studiert. Er interessiert sich besonders für Handels- und Gesellschaftsrecht, insbesondere auch auf internationaler Grundlage. Auch in Zukunft nimmt er gerne an Praktika mit Schwerpunkt auf diesem Gebiet in Deutschland, anderen europäischen Ländern oder Nordamerika teil.


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