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US-Gericht schafft neue Anspruchsgrundlage nach Freundschaftsverträgenvon Clemens Kochinke*
Update
Am 7. März 2003 erzielten die Beklagten einen ungewöhnlichen Erfolg. Das Revisionsgericht nahm auf ihren Antrag seine Zuständigkeit erneut an, obwohl es die Sache bereits an das Untergericht zurückverwiesen hatte, was extrem rar ist. Dann hob es seine Entscheidung insoweit auf, als sie die nachfolgend dargestellte neue Rechtsgrundlage fuer Ansprüche nach Freundschaftsverträgen betrifft. Es wies nun das Untergericht an, die Sache im Lichte der vom Beklagtenvertreter erörterten, revidierten Auffassung der Vereinigten Staaten zu prüfen "that is does not interpret the Treaty of Amity to create such a cause of action." Order vom 7. März 2003, United States Court of Appeals for the District of Columbia, AZ: 00-7157. Auch für deutsche Unternehmen mit US-Investitionen sowie die diplomatischen Stellen der Bundesrepublik und anderer Staaten mit US-Freundschaftsverträgen und Investitionsschutzabkommen ist eine von einem US-Bundesberufungsgericht kürzlich neugeschaffene Anspruchsgrundlage von Bedeutung. Sie erlaubt Unternehmen, deren Investitionen im anderen Vertragsstaat von diesem Staat beeinträchtigt wurden, vor eigenen Gerichten den anderen Staat zu verklagen und Schadensersatz für die Staatsvertragsverletzung zu fordern. Bedeutsam ist diese Entwicklung schon deswegen, weil die Freundschaftsverträge bisher so verstanden wurden, dass fremde Investoren wie die nationalen Unternehmen behandelt werden mussten (im D-USA-Vertrag: Inländerbehandlung und Meistbegünstigung nach Art. XXV(1) u. (4)). Geschah dies nicht, konnte der Investor sich an die Stellen des Heimatstaates wenden, um diesen zur Uebermittlung einer Rüge an den Fremdstaat zu petitionieren. Auf diplomatischem Wege konnte daraus eine Vertragsverhandlung resultieren (im D-USA-Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag v. 29. Oktober 1954: Konsultation, Art. XXVII(1)), unter Umständen auch eine Klage eines Vertragsstaates gegen den anderen vor dem Internationalen Gerichtshof (im D-USA-Vertrag: Streitschlichtungsklausel in Art. XXVII (2)). 1. Grundsätzliche Bedeutung Nach der neuen Auslegung gewähren diese Verträge dem geschädigten Investor hingegen, den Fremdstaat vor den eigenen Gerichten zu verklagen. Im konkreten Fall wurde der iranische Staat vom US-Gericht zur Entschädigungsleistung für einen enteignungsgleichen Eingriff in die Investition eines US-Unternehmens im Iran verpflichtet. Die Parteien gehen davon aus, dass die amerikanische Regierung im Revisionsverfahren zum Obersten Bundesgericht (Supreme Court) der Vereinigten Staaten in Washington, DC, einen Amicus Curiae-Schriftsatz einbringen wird, in dem sich die USA gegen das Urteil verwenden, da sie bei Beibehaltung dieser Auslegung von Freundschaftsverträgen selbst befürchten müssen, in anderen Staaten vor die nationalen Gerichte zitiert zu werden. Beobachter der Staatenimmunitätsszene erwarten zudem, dass sich einige Staaten, deren Freundschaftsabkommen mit den USA derselben Auslegung unterliegen koennen, mit entsprechenden diplomatischen Noten beim US-Aussenministerium kritisch zu dieser Entscheidung äussern werden. 2. Konkreter Fall Am 16. November 2001 erliess das Bundesberufungsgericht für den District of Columbia in Sachen McKesson HBOC gegen die Islamische Republic Iran, veröffentlicht unter 271 F. 3d 1101, ein Berufungsurteil mit der Feststellung, die amerikanische Klägerin dürfe einen Anspruch gegen den Iran aufgrund des US-Iranischen Freundschaftsvertrages vor dem US-Gericht geltend machen. Dies ist der erste Fall in der amerikanischen Rechtsgeschichte, der einer US-Klägerin einen materiellen Anspruch gegen einen ausländischen Staat gewährt, den sie vor amerikanischen Gerichten geltend machen darf, und der direkt auf einem Freundschaftsvertrag zwischen den beiden Staaten basiert. Laut Sachverhaltsdarstellung im McKesson-Fall manipulierte der Iran durch gezieltes Handeln seiner Vertreter im Aufsichtsrat einer von McKesson mitgetragenen iranischen Aktiengesellschaft den Wert der McKesson-Anteile. Als Folge verlor Mc Kesson im Jahre 1982 seine 31%-ige Beteiligung an dem iranischen Unternehmen. Nach dem Urteil des einflussreichen Bundesberufungsgerichtes in Washington, DC, dürfen US-Parteien ihre Rechte gegen Staaten wie den Iran unmittelbar in den USA durchsetzen. Sie sind nicht mehr darauf angewiesen, ihr Recht unter Berufung auf die staatsvertraglichen Gebote der Inländerbehandlung und Meistbegünstigung im Fremdstaat zu suchen. Den Grundstein für die neue Anspruchsgrundlage bildet der zwischenstaatliche Freundschaftsvertrag, wobei jener zwischen Iran und USA im Kern dem zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA entspricht. Die Auslegung beruht auf der Feststellung des Gerichts, das Fehlen einer Ausschliesslichkeitsklausel für die Zuständigkeit der Gerichte des Investitionslandes lasse die Wahl zwischen in- oder ausländischen Gerichtsbarkeit zu. Der Vertrag selbst sei in seinem Gebot "[p]roperty ... shall receive the most constant protection and security within the territories of the other High Contracting Party" (vgl. D-USA Vertrag, Art. V (1)) so zu verstehen, dass nicht lediglich Verpflichtungen der Vertragsstaaten geschaffen werden, sondern dass dem Investor ein aufgrund Staatsvertrages durchsetzbares Recht zustehe. Dem Argument Irans, der Vertrag "only confers a right of action on an Iranian citizen in the United States" und im anderen Falle dem Amerikaner lediglich in Iran, hielt das Gericht den anwendbaren Vertragsartikel entgegen und erklärte: "As the district court convincingly observed, however, although this language suggests that one party will receive protections within the territory of the other party, it doesn't say that those protections can only be enforced in the territory of the other party. ... Such a limited interpretation, moreover, flatly conflicts with the treaty's purpose - protecting property of U.S. nationals ...". 3. Herkömmliche Vertragslage Bisher wurden diese Freundschaftsverträge so ausgelegt:
Das Bundesberufungsgericht hat sich im vorliegenden Fall eklatant über das amerikanische Bundesgesetz zum Schutz ausländischer Staaten vor amerikanischen Gerichten, dem Foreign Sovereign Immunities Act, hinweggesetzt, der US-Gerichten mit wenigen Ausnahmen die Zuständigkeit über fremde Staaten und grossenteils auch deren Unternehmen (Instrumentalities) entzieht. Das hatten auch andere Gerichte versucht, so beispielsweise das unterste Bundesgericht des District of Columbia in einem Fall gegen die Bundesrepublik Deutschland, welches sich anmasste, trotz entgegenstehender ständiger Rechtsprechung des Obersten Bundesgerichts der Vereinigten Staaten eine Ausnahme zum FSIA aufgrund "barbarischer Einstellungen" zu erfinden. Es wurde prompt in der nächsten Instanz zurückgepfiffen. Im vorliegenden Fall setzt das Gericht diesem abwegigen Trend ein I-Tüpfelchen auf, indem es bei einem behauptetem enteignungsgleichen Eingriff auf eine gewerbliche Aktivität des Irans nach dem FSIA erkennt und eine Zuständigkeit amerikanischer Gerichte aufgrund einer Staatsvertragsinterpretation ins Leben ruft, die es mit einem neuen materiellen Entschädigungsanspruch krönt. Wenn die US-Justiz- und Aussenministieren diesen Fall richtig beurteilen, ist zu erwarten, dass sie mit einem überzeugenden Schriftsatz das Revisionsverfahren kommentieren und bereichern werden, um dem Obersten Bundesgericht zu einer richtigen Entscheidung zu verhelfen. Zudem ist zu hoffen, dass die anderen nun erneut der amerikanischen Gerichtszuständigkeit unterliegenden betroffenen Staaten durch entsprechende Vorkehrungen diesen Ministerien die Bedeutung dieser Fehlentscheidung im internationalen Wirtschafts- und Rechtsverkehr deutlich machen. Selbst wenn diese Entscheidung letztlich - und zwar spiegelbildlich aus der Sicht des amerikanischen Rechts - deutschen Unternehmen den Weg zu Klagen in Deutschland gegen die Vereinigten Staaten und deren Instrumentalities eröffnen würde, vorausgesetzt, das deutsche IPR und Zivilprozessrecht würden dies zulassen, ist Unternehmen damit doch wenig gedient, da die Freundschaftsverträge die Gesamtbeziehungen fördern und Sonderregeln für die Befriedigung von Partikularinteressen hinter dem landesweiten Interesse zurückstehen sollten.
Ergänzung vom 29. Juli 2002 (CK)
* Der Verfasser dankt Herrn Thomas G. Corcoran, Esquire, Berliner, Corcoran & Rowe, LLP, Washington, für seine Einsichten in die Materie aufgrund seiner jahrzehntelangen Bemühungen um die Staatenimmunität sowie Herrn Praktikanten Matthias Peter aus Mainz für hilfreiche Recherchen. Der Verfasser ist Partner in der Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe LLP, Washington D.C.
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