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Shrink Wrap Licenses und Datenbankschutz

von Andreas Günther *
Erstveröffentlichung Sommer 1996

In Sachen "Shrink Wrap Licenses" hat ein US-Bundesberufungsgericht am 20. Juni 1996 ein wegweisendes Urteil erlassen: ProCD v. Zeidenberg (7th Cir. 1996). Das Urteil ist nicht zuletzt von Bedeutung, weil der 7. Gerichtsbezirk mit den Bundesstaaten Illinois, Indiana und Wisconsin auch wirtschaftlich eine große Rolle spielt.

Die Firma ProCD vertreibt eine CD-ROM mit 95 Millionen Adressdaten und Telefonnummern, die in recht mühevoller Arbeit aus über 3000 Quellen zusammengestellt worden sind. Der Beklagte, ein Student, machte diese Daten über das Internet jedermann kostenlos zugänglich, wobei er lediglich die Datenbank der CD-ROM nutzte. Er verwendete eine von ihm selber entwickelte Retrieval-Software, verletzte also das Urheberrecht an der Anwendungssoftware ("search engine") von ProCD, mit der die Daten nutzbar gemacht werden, zweifellos nicht, soweit man Datenbank und Software als trennbare Produkte und Rechte ansieht.

Das Urteil geht zunächst davon aus, daß solche einfachen Adressdaten in den USA mangels Originalität nicht urheberrechtlich geschützt seien. Dies folge aus der Feist-Entscheidung des US Supreme Court aus dem Jahre 1991, in der normale Telefonbücher mangels Originalität für nicht urheberrechtsschutzfähig gehalten wurden.

Mangels Copyrightschutz versucht ProCD sein Produkt durch eine Schutzhüllen-Lizenz (im folgenden Shrink-Wrap-License) zu schützen. Auf den Packungen, die für den Massenvertrieb bestimmt sind, befindet sich auf der Außenseite ein Hinweis auf die Lizenzbedingungen, die dann im Inneren des Produktes abgedruckt waren. Im Lizenztext wird dann lediglich die einfache private Nutzung erlaubt und jede kommerzielle Nutzung oder Weitergabe ausdrücklich verboten. Hintergrund ist auch, daß ProCD von kommerziellen Nutzern, wie z.B. Werbeagenturen, die die Datenbank intensiver auswerten und nutzen, höhere Preise verlangt.

Die Wirksamkeit solcher Shrink-Wrap-Licenses ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten. Die Vorinstanz hielt die Lizenz für unwirksam bzw. nicht wirksam einbezogen. Es sei nicht möglich, die Lizenzbedingungen, von denen der Käufer der CD-ROM erst nach Vertragsschluß Kenntnis nehmen könne, nachträglich Vertragsinhalt werden zu lassen. Zudem sei es nicht möglich, auf diese Weise vertraglich quasi-urheberrechtliche Ausschließlichkeitsrechte zu schaffen. Die Klage von ProCD wurde daher in erster Instanz abgewiesen.

Anders entschied die Berufungsinstanz: Es müsse für ProCD möglich sein, durch eine solche Lizenz die Nutzungsbedingungen zu definieren, obwohl und gerade weil das Produkt anderweitig nicht geschützt sei. Zeidenberg habe zwar von den genauen Lizenzbedingungen beim Kauf der CD-ROM nicht unmittelbar Kenntnis nehmen können, ihm sei jedoch durch den Aufdruck bekannt gewesen, daß die innenliegenden Lizenzbedingungen Vertragsbestandteil werden sollen. Das Berufungsgericht hielt also die Lizenzbedingungen für wirksam einbezogen und auch aus anderen Gründen nicht für unwirksam.

Die Rechtsprechung in den einzelnen Bundesstaaten und Bundesgerichtsbezirken der USA ist diesbezüglich leider nicht einheitlich. Nicht immer wird man sich auf die Argumentation dieser Entscheidung verlassen können; die Wirksamkeit von Nutzungsbeschränkungen und Haftungsbegrenzungen in Shrink-Wrap-Licenses ist den USA ähnlich offen wie in Europa. Aus praktischer Sicht läßt sich lediglich festhalten, daß trotz ungeklärter Wirksamkeit Shrink-Wrap-Licenses weiterhin in großem Umfang auf dem Massensoftwaremarkt verwendet werden. Deutsche Anbieter, die auf dem US-amerikanischen Markt tätig werden, sollten sich bewußt sein, daß Shrink-Wrap-Licenses keine Gewähr für die Durchsetzbarkeit ihrer Regelungen bieten. Verwendet man sie trotzdem und kann eine von beiden Seiten unterzeichnete Vertragsurkunde nicht erlangt werden, so sollte man die Lizenz möglichst auf der Außenseite der Verpackung anbringen, verbunden mit einem deutlichen Hinweis, so daß der Käufer von den Lizenzbedingungen vor dem Kauf Kenntnis nehmen kann. Je nach Produkt und Situation kann der amerikanische Praktiker weitere Anregungen geben, die auf unterschiedliche Weise zu einer Bindungswirkung führen können.

Um den Problemen, die in diesem Fall aufgetreten sind, in Zukunft vorzubeugen, werden zwei Reformbestrebungen in den USA diskutiert. Zum einen schaut man gespannt auf Europa, wartet auf Erfahrungen mit der neuen Datenbankschutzrichtlinie und denkt darüber nach, ob nicht ein ähnliches Schutzrecht sui generis auch in den USA eingeführt werden sollte. Zum anderen wird an Gesetzesvorhaben gearbeitet, die den Uniform Commercial Code (UCC) im Hinblick auf Software, Datenbanken und andere Immaterialgüter ergänzen sollen, um sicherzustellen, daß Shrink-Wrap-Licenses und andere Vertragskonstruktionen in diesem Bereich von den Gerichten grundsätzlich für wirksam gehalten werden. Auf beides, sowohl den Datenbankschutz als auch die Wirksamkeit von Shrink-Wrap-Licenses kann man sich in den USA trotz des vorliegenden umstrittenen Urteils aber zunächst nicht verlassen und kann lediglich versuchen, seine eigenen Risiken diesbezüglich zu minimieren. Dazu muß im konkreten Fall eine Abwägung der Kriterien aus den vorliegenden Entscheidungen der Bundesberufungsgerichte und der wichtigsten einzelstaatlichen Gerichte erfolgen.


* Andreas Gü¼nther, LL.M. studied law and economics at the University of Bayreuth, Germany, obtained a masters degree from the University of London, Great Britain and worked as a tutor and research assistant at the University of Munich, Germany. He is presently a Rechtsreferendar with Berliner, Corcoran & Rowe, LLP in Washington D.C. and will start pactising law in Munich, Germany in November 1996 with Antoine & Schneider. He is a member of the "Deutsche Gesellschaft fü¼r Informatik und Recht e.V." and the "Deutsche EDV-Gerichtstag e.V.". He authored several articles on computer-assisted legal instruction, expert systems, data protection, product liability and software protection and is co-editor of a Newsletter on "EDV-Recht" published via Recht-Online on CompuServe, GO RECHT.


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