Der Alien Tort Claims Act
von Florian Hauswiesner *
Erveröffentlichung 12. Dezember 2002
Nicht erst nach der fünf Mrd.-Dollar-Einigung im Sommer 2001 zwischen deutschen Unternehmen und der Bundesregierung auf der einen und Opferverbänden auf der anderen Seite im Rahmen der Klagen von ehemaligen Zwangsarbeitern rückte das amerikanische Rechtsinstitut der Sammelklage (class action) in den Blickpunkt des europäischen Interesses, welches oftmals mit findigen Rechtsanwälten und hohen Schadensersatzforderungen und -zahlungen verbunden wird.
Die rechtliche Grundlage dafür, dass amerikanische Gerichte aber zunehmend dazu benutzt werden, ausländische Unternehmen vor amerikanischen Gerichten für Handlungen zu verklagen, die diese im Ausland begangen haben, ist jedoch ein aus dem Jahre 1789 stammendes Gesetz: der Alien Tort Claims Act (28 U.S.C. § 1350). Unter Berufung auf dieses Gesetz gingen Kläger nicht nur gegen den serbischen Kriegsverbrecher Karadzic, den ehemalige chinesischen Ministerpräsident Li Peng, sondern auch Margaret Thatcher und die kubanische Regierung wegen Menschenrechtsverletzungen vor.
Die amerikanischen Rechtsliteratur warf in diesem Zusammenhang die bisher theoretische Frage auf, ob Präsident Bush im Falle eines Krieges gegen den Irak ohne eine UN-Resolution auf Grund des Alien Tort Claims Act verklagt werden könnte.
Während sich die Regierung der USA gegen eine Zusammenarbeit mit dem internationalen Strafgerichtshof in Den Haag sträubt, scheinen amerikanische Gerichte sich zunehmend für weltweite Aktivitäten von ausländischen Unternehmen im nichtamerikanischen Ausland für zuständig zu erachten. Dies erfolgt dabei stets unter Berufung auf den Alien Tort Claims Act, wenn beklagten Unternehmen vorgeworfen wird, im Umfeld von Menschenrechtsverletzungen tätig gewesen zu sein.
Dabei ist für den deutschen Beobachter sicherlich interessant, dass Rechtsanwälte behaupten, dass der ATCA auch für eine Klage der Opfer und Hinterbliebenen der Eschede-Katastrophe gegen die Deutsche Bahn AG in den USA die rechtliche Grundlage darstellt.
Nach dieser Auffassung könnte der ATCA dazu benutzt werden, dass jedes Opfer von deliktischen Handlungen nach dem ATCA, in den USA klagen kann. Dadurch könnte es in den Genuss von klägerfreundlichen gesetzlichen Regelungen kommen, wie höheren Schadensersatzzahlungen auf Grund des Strafschadensersatzsystems (“Punitive Damages”), des Geschworenen-Systems und des Prozessrechtsinstituts der “Class Action”.
1. Die Entstehung des Alien Tort Claims Act (ATCA)
Der neu geschaffene Congress der USA verabschiedete den ATCA bereits 1789 als eines der ersten Gesetze als Teil des Judiciary Act. Der Gesetzgeber beabsichtigte damit, den Rechtsweg zu amerikanischen Bundesgerichte für Opfer von Piraten in internationalen Gewässern zu eröffnen.
2. Der Inhalt des Alien Tort Claims Act
Der Gesetzestext (28 U.S.C. § 1350) ist kurz und bündig:
"The district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States."
Die Landgerichte sind demnach sachlich zuständig für zivilrechtliche, deliktische Ansprüche eines Ausländers, die auf einer Verletzung des Völkerrechts oder eines Vertrages der Vereinigten Staaten beruhen.
3. Die Entwicklung des Alien Tort Claims Act
Der Alien Tort Claims Act fristete über zwei Jahrhunderte lang ein Schattendasein; selten beriefen sich Kläger auf ihn, bis er 1980 in das Rampenlicht rückte.
Im Fall Filartiga v. Pena-Irala, 630 F.2d 876, 887 & n.21 (2d Cir.1980) entschied der United States Court of Appeals for the Second Circuit, dass staatliche Folter allgemein akzeptierte Menschenrechte verletzt (und somit das “law of nations” des ATCA) und dass daher Verletzung von internationalem Recht auch eine Verletzung des nationalen Rechts der Vereinigten Staaten darstellt. Dies könne einen Anspruch aus dem ATCA begründen, wenn der Täter sich innerhalb den Grenzen der USA auf hält.
Dieser Entscheidung lag ein Sachverhalt zu Grunde, in dem ein paraguayischer Arzt und paraguayischer Oppositionsführer gegen einen ehemaligen Polizisten klagte, der dessen 17-jährigen Sohn gefoltert und getötet hatte und dieser zwischenzeitlich in New York aufhielt.
Eine weitere Ausweitung des Anwendungsbereichs des ATCA erfolgte mit der Kadic v. Karadzic Entscheidung, in welcher eine muslimische Kroatin gegen den Serbenführer Karadzic geklagt hatte. Das Berufungsgericht gab der Klägerin Recht und führte aus, dass gewisse Menschenrechtsverletzungen, wie unter anderem auch Genozid, unter dem ATCA nicht nur staatliche Organisationen, sondern auch Privatpersonen vom Anwendungsbereich mit umfasst.
4. Die Zwangsarbeiterklage
4.1 Geschichte
Im Juli 2000 stimmte der Deutsche Bundestag einem gemeinsamen
Gesetzentwurf aller Fraktionen des Bundestages zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" zu, der Grundlage für die Auszahlung von 8,24 Mrd. DM als Entschädigung an ehemalige Zwangsarbeiter während der NS-Zeit waren.
Dieser Entscheidung ging eine Vielzahl von Massenklagen gegen deutsche Unternehmen ab dem Jahre 1998 voraus. Im Juni des Jahres 2000 einigten sich die deutsche und die amerikanische Regierung auf einen außergerichtlichen Vergleich, in welchem deutschen Unternehmen Rechtsfrieden zugesichert wurde, wobei das Außenministerium der USA im Falle von neuen Klagen gegen deutsche Unternehmen in der gleichen Sache, ein sogenanntes "Statement of Interest" an das entsprechende Gericht sendet, mit welchem dem Gericht empfohlen wird, die Klage wegen aller in Betracht kommenden Gründen abzuweisen.
Trotz beträchtlichen Zweifeln an der rechtlichen Eignung der Vereinbarung zur Schaffung eines dauerhaften Rechtsfriedens und dem Einreichen von neuen Sammelklagen in den USA, verwarf ein US-Berufungsgericht ein Urteil eines Gerichts in Brooklyn gegen deutsche Unternehmen und eine neue erhobene Klage wurde von dem gleichen Gericht als unzulässig verworfen.
4.2 Die Klage und der Alien Tort Claims Act
Die Klagen stützten sich dabei im wesentlichen auf zwei Gründe:
Zum einen beriefen sich die Kläger auf Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung. Daneben führten sie jedoch auch die Verletzung von Menschenrechten unter Berufung auf den ATCA in der Klagebegründung an.
Betreffend den Ansprüchen aus ungerechtfertigter Bereicherung war problematisch, dass nach amerikanischem Recht diese Ansprüche längst verjährt waren, selbst wenn man davon ausgegangen wäre, dass durch internationale Abkommen die Geltendmachung derartiger Ansprüche bis zur deutschen Wiedervereinigung ausgeschlossen waren.
Die Klagen hätten demnach nur dann Aussicht auf Erfolg haben können, wenn man die Verjährungsfrist des ATCA herangezogen hätte, welche 10 Jahre beträgt. Die Ansprüche aus der Verletzung von Menschenrechten basierten rechtlich aber auf dem ATCA.
Wegen der außergerichtlichen Einigung kam es jedoch zu keiner gericht-lichen Entscheidung, welche diese rechtlichen Fragen beantwortet hätte.
5. Klage von Afro-Amerikanern
Die in den Zwangsarbeiterklagen federführenden Rechtsanwälte, reichten am 26.März 2002 in Brooklyn, New York, eine der größten je in den USA erfolgten Sammelklage (class action) nach dem Muster der Zwangsarbeiterklagen ein.
Die Klage bezweckt, allen Nachkommen von in die USA verschifften Sklaven - insgesamt 35 Millionen Personen- Schadensersatz (damages) und Unterlassungsansprüche (injunctive relief) zu kommen zu lassen.
Zwar wird die Klagesumme nicht konkret beziffert, doch wird geschätzt, dass die unbezahlte Arbeit von Sklaven in den USA zwischen 1790 und 1860 einen Wert von US$ 40 Millionen hatte, was umgerechnet auf heutige Verhältnisse einem Streitwert von bis zu US$ 1,4 Billion entspricht.
Beklagte sind drei Unternehmen: Aetna, CSX und FleetBoston. Weitere Beklagte sollen folgen.
Die Kläger begründen ihre Klage mit Unterschlagung (conversion), ungerechtfertigter Bereicherung (unjust enrichment) und dem Recht auf Einsicht in die Buchhaltung der Beklagten (demand for an accounting). Daneben wird die Klage auf die Verletzung von Menschenrechten gestützt.
Im Falle von Aetna wird die ungerechtfertigte Bereicherung darauf gegründet, dass Aetna Versicherungen auf das Leben von Sklaven verkaufte und somit von der Arbeitskraft des Sklaven profitierte. FleetBoston ist der Rechtsnachfolger der Providence Bank, welche von dem Sklavenhändler John Brown gegründet wurde. CSX ist der Rechtsnachfolger mehrerer Bahngesellschaften, welche ihr Streckennetz teilweise durch Sklaven errichten und betreiben ließen.
Fraglich ist jedoch, ob diese Klage tatsächlich erfolgreich auf den ATCA gestützt werden kann:
Während der ATCA in erster Linie Verbrechen gegen die Menschlichkeit zum Gegenstand hat, stützt sich die Klage in erster Linie auf Eigentumsrechte, welche nach allgemeinem common law zu beurteilen sind und nicht unter das ATCA subsumiert werden können.
Wenn die Verletzung von Menschenrechten behauptet wird, ist problematisch, ob Aetna, SCX und FleetBoston wirklich die richtigen Beklagten sind, da diese weder Sklavenhändler noch Sklavenhalter waren, sondern die Sklaverei allenfalls indirekt gefördert haben oder von ihr profitiert haben.
Zum anderen ist höchst fraglich, ob die Nachkommen der einstigen Sklaven überhaupt klagebefugt sind, da bis dato noch kein Gericht einen derartigen Fall entschieden hat und aus dem ATCA nicht direkt geschlossen werden kann, dass Nachkommen in der fünften Generation sich auf den ATCA wegen Menschenrechtsverletzung ihrer Vorfahren berufen können.
Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand erscheint der Erfolg der Klage daher eher zweifelhaft.
6. Klage wegen Business in Südafrika
Um die Frage nach dem Grad der Verantwortlichkeit von Unternehmen nach dem ATCA für Menschenrechtsverletzungen näher einzugrenzen, sind zwei im Sommer des Jahres 2002 eingereichte Klagen von höchster Bedeutung.
Eine Klage vom 19. Juli 2002 richtet sich gegen zwei schweizerische Banken (Union Bank of Switzerland und Credit Suisse) und eine US-amerikanische Bank (Citicorp Inc., welche die Mutter der Citibank ist). Eine zweite Klage wurde am 3. Juli 2002 gegen IBM, die Deutsche Bank, die Dresdner Bank und die Commerzbank eingereicht.
Die Kläger sind 80 schwarze Südafrikaner, deren Rechte durch das südafrikanische Apartheitsregime verletzt wurden. Einer der Kläger ist ein ehemaliger Anti-Apartheid-Aktivist, dessen Zwillingssöhne und drei seiner Freunde im Schlaf von einem Todeskommando erschossen wurden.
Sie begründen ihre Klage damit, dass die Banken dem Apartheidsregime zu dessen Menschenrechtsverletzungen Beihilfe geleistet zu haben, indem sie ihm Kredite vergaben.
Sie führen in der Klageschrift aus, dass die Beklagten das Apartheidsregime zwischen den Jahren 1985 und 1993 mit Finanzmitteln versorgt haben als es sich auf Grund der UN-Sanktionen gegen Südafrika in einer verheerenden finanziellen Situation befand. Andere Banken hatten sich zu diesem Zeitpunkt bereits aus Südafrika zurück gezogen. Die Kläger werfen den Beklagten vor, dass ohne die Vergabe der Kredite das Apartheidsregime nicht so lange hätte überleben können.
Die Kläger begründen ihre Klage auf Schadensersatzzahlungen mit der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit und begehren die Verurteilung zur Zahlung der Gewinne der betroffenen Banken aus den Geschäften mit Südafrika für den fraglichen Zeitraum.
Eine weitere, ähnliche Klage wurde am 12. November 2002 bei dem U.S. District Court for the Eastern District of New York eingereicht, bei denen die Kläger Angehörige sind von Personen, welcher während der Apartheitszeit getötet wurden. Die Klage richtet sich gegen 22 Unternehmen, unter anderem I.B.M., Ford und Citigroup.
Erfolgsaussichten der Klage
Dieser Klage ist eine Massenklage vor einem amerikanischen Gericht Ende der 90er Jahre voraus gegangen, mit der schweizerische Banken verklagt wurden, welche während des zweiten Weltkrieges Konten für die NS-Führung unterhielten. Auch diese Klage wurde mit Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit begründet. Dennoch kam es nie zu einem rechtskräftigen Urteil, da die Banken sich vorher mit den Klägern außergerichtlich geeinigt hatten.
Offen bleibt daher die Frage, wie die Erfolgsaussichten der gegenwärtigen Klage zu beurteilen sind, insbesondere da eine antragsgemäße Verurteilung nicht nur für Banken weitreichende Risiken mit sich bringen würde.
Entscheidend für das amerikanische Gericht könnte dabei der Vergleich mit zwei Fällen aus der Nachkriegszeit sein, in denen deutsche Banker im Rahmen der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse vor dem amerikanischen Militärgericht (United States Military Tribunal; USMT) angeklagt wurden:
a) Der Fall Rasche
Karl Rasche, der Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank, welche von manchen Historikern als die Hausbank der Nazis bezeichnet wird, wurde im Rahmen der Nürnberger Prozesse als einziger Bankier einer privaten Geschäftsbank angeklagt, da er unter anderem Kredite in großem Umfang an diverse SS- Unternehmen vergeben hatte, welche eine große Anzahl von Häftlingen aus Konzentrationslagern beschäftigte, sowie an Unternehmen und staatliche Institutionen, welche in den sogenannten Umsiedlungsprogrammen engagiert waren.
Rasche wurde in diesem Zusammenhang vorgeworfen, dass er wusste, wofür diese Kredite vergeben wurden.
Er wurde wegen Raubes und Mitgliedschaft in der SS verurteilt, von den Vorwürfen der Beihilfe zum Völkermord jedoch freigesprochen.
Letzteres wurde von dem USMT damit begründet, dass die Vergabe von Krediten keine Verletzung von Völkerrecht darstellt.
Der USMT verglich die Vergabe von Krediten mit einem Hersteller von Baumaterialien. Ein solcher solle nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn er Baumaterialien liefert, obwohl er weiß, dass das Haus für einen ungesetzlichen Zweck (beispielsweise verbotene Prostitution) gebaut wird.
Es sei ein großer Unterschied, ob jemand nur Kapital zur Verfügung stelle oder aber aktiv an einem Raub beteiligt sei.
b) Der Fall Puhl
Anders lag der Fall des deutschen Reichsbankiers Puhl, der Gold, Schmuck und ausländische Devisen von Nazi-Opfern auf Konten der Reichsbank angelegt haben sollte.
Er wurde zu einer Haftstrafe von fünf Jahren verurteilt wegen Raubes von Wertgegenständen von Naziopfern und des Verbringens dieser geraubten Güter auf Konten der Reichbank. In dem Urteil wurde hervorgehoben, dass Puhls Rolle nicht in der eines reinen Geschäftsmannes bestand, sondern, dass er über seine gewöhnlichen Zuständigkeiten hinaus gehend, Anordnungen erließ, damit seine Tätigkeiten durch die entsprechende Abteilung der Bank diskret behandelt wurde.
Seine Handlungen wurden daher als aktive Verstrickung in die Naziverbrechen und er somit als integraler Teil des NS-Herrschaftsapparates angesehen.
c) Ergebnis
Ob die Banken somit verurteilt werden, hängt demnach vor allem davon ab, ob das Gericht ihre Rolle als aktiv und als Teil des südafrikanischen Machtapparates ansieht im Sinne von Puhl oder aber als lediglich unterstützende indirekte Hilfe im Sinne von Rasche.
7. Hürden einer Klage nach dem Alien Tort Claims Act
Trotz der Ausweitung des Anwendungsbereichs muss ein Kläger weiterhin erhebliche rechtliche Hürden überwinden:
7.1 Beweisprobleme
Ein Problem besteht darin, dass der Kläger auch unter dem ATCA beweisen muss, dass der Beklagte direkt oder indirekt Menschenrechtsverletzungen begangen hat. In den meisten Fällen konnte dies der Kläger nicht. Zwar haben manche Gerichte dem Kläger erlaubt, eine begrenzte “discovery” vorzunehmen, um die beweiskräftigen Fakten zu erlangen, was jedoch nicht immer ausreicht, um genügend Beweise vorzulegen.
7.2 Das Forum-Non-Conveniens-Prinzip
Oftmals kann der Beklagte einwenden, dass ein Fall des Forum-Non-Conveniens vorliegt. Dieser ist dann gegeben, wenn ein Verfahren effektiver vor einem Gericht in einem anderen Land verhandelt werden kann.
In Wiwa v. Dutch Petroleum (US Court of Appeals for the Second Circuit, Nos.99-7223(L), 99-7245(XAP), 14.9.2000) hatten die nigerianischen Kläger Klage gegen Shell und Dutch Petroleumem erhoben. Die Klage wurde erstinstanzlich aus diesem Grund abgewiesen, obgleich das Berufungsgericht argumentierte, dass die Beklagten nicht ausreichend dargelegt hätten, dass die Klage besser in einem Land eingereicht worden wäre. Das Gericht führte in diesem konkreten Fall aus, dass es in einem Fall, in dem der Kläger in den USA lebt, es diesem nicht zumutbar sei, außerhalb der USA zu klagen.
7.3 Persönliche Zuständigkeit
Ein weiters Hindernis für eine Klage nach dem ATCA besteht in der persönlichen Zuständigkeit (“Personal Jurisdiction”) des Gerichts, insbesondere, wenn der Beklagte sich nicht in den USA aufhält. Das Gericht untersucht in diesem Zusammenhang, ob der Beklagte minimale Beziehungen mit dem Forum-Staat unterhält, und inwieweit diese Beziehungen für den eingeklagten Anspruch relevant sind.
Der Supreme Court entschied in Asahi Metal Industry Co. v. Superior Court of California (480 U.S. 102, 107 S.Ct. 1026), dass es nicht ausreicht, dass ein ausländisches Unternehmen ein Produkt auf den amerikanischen Markt bringt. Allerdings weist der Supreme Court in dem selben Urteil darauf hin, dass beispielsweise Werbung für das Produkt ausreichend sein kann. Ausreichend ist stets, wenn die Geschäftsbeziehungen mit dem Forum-Staat auf Dauer und systematisch angelegt sind. Dies gilt jedoch nicht für Verbrechen wie Sklavenhandel, Flugzeugentführungen, Genozid und Kriegsverbrechen, da für derartige Taten jedes Gericht zuständig ist, unabhängig von der Nationalität der Parteien oder wo die Tat begangen wurde.
7.4 Staatliches Handeln als Subjekt des Völkerrechts
Völkerrecht bindet grundsätzlich Staaten und nicht Privat- oder juristische Personen. Nur in Fällen von von Genozid, Kriegsverbrechen oder Sklaverei sind auch jene Völkerrechtssubjekte. Darüber hinaus stellen sie nur dann Völkerrechtssubjekte dar, wenn sie über enge Verbindungen zu Regierungsstellen verfügt haben. In der Unocal II Entscheidung (Doe, et al. V. Unocal Corp., et al., 2000 U.S. Dist. Lexis 13327, No. CV 96-6959) wurde durch das erkennende Gericht hervorgehoben, dass ein Unternehmen nur dann völkerrechtlich zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn es mit den betreffenden staatlichen Stellen kooperiert hat, mit dem Ziel, Personen ihre Grundrechte zu entziehen. Die Unocal II Entscheidung nennt als Mindestvoraussetzung für eine Anwendung von Völkerrecht, dass das Unternehmen mit den Regierungsstellen bei den
Menschenrechtsverletzungen zusammen gearbeitet hat oder aber Kontrolle über die staatliche Aktion hatte.
Dies ist aus dem Grund problematisch, da Unternehmen und staatliche Stellen oftmals eine geschäftliche Beziehung haben, von der beide Seiten profitieren, ohne dass die Unternehmen Menschenrechtsverletzungen selber vornehmen. Der United States Court of Appeals for the Ninth Circuit hat im September 2002 dieses Urteil zwar aufgehoben (Nos. 00-56603, 00-57197, 00-56628, 0057195). Dies geschah aber mit der Begründung, dass die in diesem Fall vorgeworfene Zwangsarbeit mit Sklaverei vergleichbar sei, so dass diese Einschränkung weiter bestehen bleibt.
Ein Problem für potentielle Kläger besteht auch darin, dass staatliche Stellen meistens durch den Foreign Sovereign Immunities Act (“FSIA”) vor einer Haftung geschützt sind. Eine häufige Strategie der Beklagten ist daher, die sachliche Zuständigkeit des amerikanischen Gerichts für den betreffenden Anspruch zu rügen, wobei zuerst auf den FSIA verwiesen wird, um danach sich darauf zu berufen, dass die fragliche Partei unabkömmlich sei (nach Rule 19 des Federal Rule of Cicil Procedure ) und die Klage deshalb abzuweisen sei.
8. Ausblick
Da Beklagte in den letzten Jahren vor allem Ausländer und nicht-amerikanische Unternehmen waren, sich nun Klagen jedoch auch gegen amerikanische Unternehmen, die im nichtamerikanischen Ausland aktiv waren, richtet, gibt es zunehmend kritische Stimmen in den USA und den Versuch den ATCA einschränkend zu ändern oder aber ganz abzuschaffen.
So hat der Präsident des USCIB (United States Council for International Business), Thomas Niles, sich kürzlich in dem Sinne geäußert, dass es als Folge des ATCA für amerikanische Unternehmen unmöglich werde, in vielen Teilen der Welt geschäftlich tätig zu sein. Ebenso würden viele nichtamerikanische Unternehmen entmutigt, in den USA zu investieren, da ihre weltweite Aktivität unter dem Damoklesschwert des ATCA steht.
Das ATCA stelle eine Bedrohung für das amerikanische Justizsystem dar und schade darüber hinaus den internationalen wirtschaftlichen Interessen der USA. Ähnlich äußerte sich der Vizepräsident der US Chamber of Commerce welcher seinen Beitrag in der „USA Engage“ mit der bezeichnenden Überschrift versah:
“The Alien Tort Claims Act: Is Our Litigation-Run-Amok Going Global?”
Dementsprechend gibt es Gespräche mit dem amerikanischen Justizministerium über eine Änderung des ATCA, welche von den entsprechenden Interessenverbänden als ermutigend bezeichnet werden.
Daher bleibt abzuwarten, ob der ATCA trotz der aufgezeigten Anwendungsprobleme dazu führen wird, dass er zunehmend als Einfallstor zur amerikanischen Judikative genutzt wird oder ob dieser Form der Globalisierung der Rechtsprechung durch eine baldige Gesetzesänderung begegnet wird.
*Der Verfasser arbeitete nach seinem Jurastudium in Saarbrücken, Nancy (Frankreich) und Mainz im Europäischen Parlament (unter anderem an dem Bericht zur Richtlinie zur Bekämpfung von Diskriminerung in Beschäftigung und Beruf). Nach seinem Rechtsreferendariat beim Landgericht und der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, verbrachte er seine Wahlstation bei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP in Washington, DC. Rückfragen und Anregungen können an den Verfasser gerichtet werden.