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Gewährleistung für KFZ in U.S.A. und Deutschland



von Michaela Götze *

Erstveröffentlicht am: 28. September 2005


Das Sachmangelgewährleistungsrecht ist im deutschen Recht im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung im Jahre 2001 vereinfacht worden. Das neue Schuldrecht wird von vielen Kritikern negativ beurteilt, und auch das Gewährleistungsrecht wird teilweise als negative Entwicklung kritisiert. In dieser vergleichenden Darstellung wird das amerikanische Pendant an einigen auffälligen Kriterien dem deutschen Recht gegenübergestellt. Das amerikanische Gewährleistungsrecht ist in vielen einzelnen Gesetzen geregelt, wobei die Lemon Laws dem deutschen Sachmangelhaftungsrecht direkt gegenüber stehen. Regelungsinhalt der Lemon Laws sind hauptsächlich neue Kraftfahrzeuge, in einigen Staaten auch Gebraucht- und Leasingfahrzeuge.

1) Regelungskompetenz

Das amerikanische Gewährleistungsrecht liegt in der - fast - ausschliesslichen Regelungskompetenz der Einzelstaaten. Im Unterschied dazu liegt die Regelungskompetenz für das deutsche Gewährleistungsrecht, welches Teil des Bürgerlichen Rechts ist, gemäss Artikel 74 I 1 GG als konkurrierende Gesetzgebungskompetenz beim Bund. Die Materie ist im BGB in den §§434 ff. BGB bundeseinheitlich geregelt worden. Diese Darstellung beschränkt sich beispielhaft auf die Lemon Laws der Staaten Maryland, Virginia und Washington D.C.

2) Aufbau der Gesetze

Eine vergleichende Betrachtung des Aufbaus der Regelungswerke verdeutlicht markante Unterschiede: Die amerikanischen Lemon Laws aller drei Staaten müssen grundsätzlich von Anfang bis Ende gelesen werden. Sie definieren zunächst allgemeine Begriffe des Gewährleistungsrechts, bestimmen dann die Merkmale eines Sachmangels, zeigen in weiteren Normen die Rechte des Verbrauchers auf (zum Beispiel: §59.1-207.13A.1.and 2. des 9 Code of Virginia, Title 59.1, Chapter 17.1), und regeln schliesslich Spezialfälle, Fristen und prozessuale Fragen der Durchsetzung solcher Rechte. Im Unterschied dazu stellt im deutschen Recht §437 BGB die zentrale Anspruchsgrundlage des Sachmangelgewährleistungsrechts dar. Voraussetzung für die Anwendbarkeit von §437 BGB ist ein Sachmangel, welcher in §434 BGB definiert wird. Ist der Anwendungsbereich von §437 BGB gegeben, so müssen die Rechte des Verbrauchers in der Reihenfolge geprüft werden, die die Norm vorgibt.

3) Nachbesserung

Die Anzahl an Versuchen, die der Käufer dem Verkäufer zur Nachbesserung seiner mangelhaften Leistung, zugestehen muss, unterscheiden sich ebenfalls zu Lasten des Verbrauchers in den Rechtsordnungen. In den Lemon Laws aller drei Staaten muss der Verbraucher dem Hersteller eine verhältnismässig hohe Zahl an Möglichkeiten zur Nachbesserung geben. Diese Anzahl beziffert sich je nach Art des Sachmangels zwischen ein und vier Mal.
The same nonconformity, defect, or condition. if it is not safety-related, has been subject to repair 4(four) or more times by the manufacturer, its agents, or authorized dealer after notification by the consumer within the first 18,000(eighteen thousand) miles of operation or during the period of 2(two) years following the date of original delivery of motor vehicle to a consumer, [...], §50-502(d)(1) des 15 District of Columbia Code, Title 50, Subtitle II, Chapter 5
Im deutschen Pendant verlangt beispielsweise der §323 BGB als Voraussetzung für einen wirksamen Rücktritt eine einmalige Fristsetzung zur Nachbesserung. Die amerikanischen Regelungen erscheinen unternehmerfreundlich, wobei festgehalten werden muss, dass die Praxis des Kraftfahrzeughandels in den Vereinigten Staaten sich von der gängigen Praxis in Deutschland unterscheidet. Zunächst einmal liegen die KFZ-Preise in den Vereinigten Staaten unter denen in Deutschland. Zudem haben die Händler in den U.S.A. in der Regel keinen Vorführwagen, sondern der Kunde kauft, was er gesehen und probegefahren hat. In Deutschland ist gängige Praxis, dass der Händler einen Vorführwagen dem Kunden zur Begutachtung vorstellt, und der Kunde anschliessend ein Kraftfahrzeug dieser Art beim Händler bestellt.

4) Rechte und Ansprüche

Die Lemon Laws der drei exemplarischen Staaten gewähren dem Verbraucher das Wahlrecht zwischen Rücktritt vom Vertrag und dem Anspruch auf ein Ausstauschmodell gleicher Art und Güte.
[...]the manufacturer or factory branch, at ;the option of the consumer, shall: (i) replace the motor vehicle with a comparable motor vehicle acceptable to the consumer; or (ii) Accept return of the motor vehicle from the consumer and refund to the consumer the full purchase price including all licence fees, registration fees, and any similar governmental charges, (...), §14-1502(c)(1)(i),(ii) des Code of Maryland, Commercial Law, Title 14, Subtitle 15.
Weitere Rechte des Verbrauchers können sich unter Umständen noch aus anderen Gesetzen ergeben. Im Unterschied dazu eröffnet das BGB in §437 dem Verbraucher einen Anspruch auf Nacherfüllung, Kaufpreisminderung oder das Recht zum Rücktritt und Schadensersatz. Das Recht auf Nacherfüllung schützt den Unternehmer, da es ihm die Mögleichkeit gibt, seine Leistung einmal zu verbessern. Gelingt ihm diese Nachbesserung nicht, kann der Verbraucher zurücktreten oder den Kaufpreis mindern. Ihm steht zudem daneben oder anstatt aller Rechte das Recht auf Schadensersatz zu (vgl. Palandt §437 Rn. 4). Das BGB schafft für einen Verbraucher somit eine Rechtssicherheit, die das amerikanische Recht missen lässt. Es ist für diesen mithin einfacher, aufgrund der bundeseinheitlichen und verständlichen Regelung seine Rechte herauszufinden und somit auch wirksam geltend zu machen. In den U.S.A. lohnt es sich in vielen Fällen für einen Verbraucher nicht, seine ihm zustehenden Rechte geltend zu machen, weil dies zu aufwendig und mithin zu teuer wäre, denn selbst wenn der Verbraucher im Streitfall obsiegen sollte, steht ihm nach der American Rule keine Erstattung von Gerichtskosten und Anwaltsgebühren zu. Diese müssen in Deutschland gemäss §91 ZPO vom Unterliegenden getragen werden.

5) Schiedsverfahren als Voraussetzung in Washington D.C.

In Washington D.C. besteht die Besonderheit, dass der Käufer, bevor er seine Rechte gerichtlich versuchen darf durchzusetzen, beim Board of Consumer Claims Arbitration, vgl. §50-502(f) 15 District of Columbia Code, Title 50, Subtitle II, Chapter 5, eine Beschwerde einlegen muss. Erst wenn das Board of Consumer Claims Arbitration den Fall entweder ablehnt, oder wenn der Fall beim Board schiedsgerichtlich verhandelt wurde, darf der Verbraucher eine Klage vor einem Zivilgericht anhängig machen. Dieses Verfahren in Washington D.C. ist ein Sonderfall. In Maryland und Virginia ist eine gerichtliche Durchsetzung von Rechten aus den Lemon Laws ohne vorheriges Schiedsverfahren möglich. Washington D.C. ist ein extremes Beispiel für die Unternehmerfreundlichkeit des amerikanischen Gewährleistungsrechts, denn der Käufer muss dem Unternehmer zunächst vier Mal die Möglichkeit zur Nachbesserung geben, dann muss er seinen Fall bei einem gesetzlich festgelegten Schiedsgericht anhängig machen, und erst dann darf er seine Rechte gerichtlich durchsetzen.

Bei der direkten Gegenüberstellung der verschiedenen Gewährleistungsrechte wird abschliessend folgende Bilanz gezogen: Das amerikanische Gewährleistungsrecht ist ingesamt unternehmerfreundlicher als das deutsche Pendant des BGB, wobei Washington D.C. eine Sonderstellung einnimmt. Aus Verbrauchersicht hat der deutsche Käufer objektiv wohl das bessere Los gezogen: auch wenn er mehr bezahlt, so dürfte der umfangreichere Rechtsschutz den höheren Kaufpreis ausgleichen.


*   Die Verfasserin studiert Rechtswissenschaften an der Universität Passau im 5. Semester. Dieser Bericht entstand während ihres Aufenthalts in Washington D.C., wo sie bei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP unter der Leitung von Rechtsanwalt Clemens Kochinke, Attorney at Law, ein zweimonatiges Praktikum absolvierte. Sie berichtete über Lemon Laws auch im GALJ :: ReferendaRRaum und regelmäßig über aktuelle amerikanische Rechtsentwicklungen im German American Law Journal :: US-Recht auf Deutsch Jura-Blog.


Zitierweise / Cite as: Goetze, Gewährleistung für KFZ in U.S.A. und Deutschland, 14 German American Law Journal, http://www.amrecht.com/lemonlawsGoetze2005.shtml


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