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Einspruch, euer Ehren!

Von Lothar Lieske *
Veröffentlicht am 6. Juni 2007


Der Ausruf "Einspruch euer Ehren!" dürfte in amerikanischen Film- und Fernsehproduktionen etwa ebenso häufig auftauchen wie der Satz "Lassen sie mich durch, ich bin Arzt!". Im Gegensatz zum zweiten fällt der erste Satz auch häufig im tatsächlichen Leben.

Das amerikanische Beweisrecht, immerhin ein Sechstel der amerikanischen Anwaltsprüfung, ist von erheblicher Bedeutung für den Ausgang eines Prozesses und unabhängig von der einzelstaatlichen Ausgestaltung äußerst kompliziert. Grundlegend unterscheidet es zwischen Zeugen (auch Sachverständige), Urkunden und Dokumenten, sogenannten echten Beweismitteln und zu Demonstrationszwecken herangezogenen Beweismitteln. Als primäres Beweismittel gilt die Zeugenaussage, auf deren Grundlage für gewöhnlich alle weiteren Beweismittel eingeführt werden.

Dabei gelten für die Zeugenbefragung und das Kreuzverhör unterschiedliche Regelungen. Außerdem sind eigene Zeugen anders zu behandeln als Zeugen der Gegenseite. Welche Beweise überhaupt geführt werden können, ergibt sich aus der Frage nach der generellen Relevanz, der materiellrechtlichen Relevanz und der Prüfung, ob die Beweiserhebung nicht gegen Regeln der Beweiserhebung verstößt.

Die generelle Relevanz setzt voraus, dass der Beweis zur Klärung einer Tatsache beitragen können muss, die in einem Bezug zum verhandelten Sachverhalt steht. Die materielle Relevanz ist enger und verlangt eine rechtliche Erheblichkeit. Beide Anforderungen müssen für die Zulässigkeit der Beweisführung erfüllt sein. Ansonsten können sie durch den Einspruch mit der Begründung der Irrelevanz unterbunden werden.

Weitere Einspruchsmöglichkeiten ergeben sich aus dem Verbot der Verletzung von Beweiserhebungsvorschriften und sind weitestgehend nicht inhaltlich orientiert, sondern zielen auf die Unzulässigkeit der an den Zeugen gerichteten Frage ab.

Fragen mit beleidigendem oder herabwürdigendem Inhalt und solche, die dem Befragten von vornherein eine Verfehlung unterstellen, können als argumentative mit dem Einspruch bekämpft werden. Gegen eine Diskreditierung des Befragten durch faktenbasierte Fragen ist dagegen nichts einzuwenden.

Der Einspruch des Verstoßes gegen die rule of best evidence verhindert die Befragung über den Inhalt eines Schriftstückes, wenn dieses Schriftstück in den Prozess eingeführt werden kann. Ist das Schriftstück erwiesenermaßen unauffindbar oder zerstört, kommt eine Befragung zu dessen Inhalt in Betracht, wobei Kopien ausnahmsweise zulässig sein können.

Ebenfalls unzulässig sind Fragen, die den Befragten zu einer Schlussfolgerung, Meinungsäußerung, einer persönlichen Reaktion oder zur Mitteilung seiner Gefühle veranlassen. Die Befragten sollen lediglich Auskunft zu Tatsachen geben. Der Einspruch conclusion ist demnach auf Sachverständige nur eingeschränkt anwendbar. Fragen dürfen nicht auf unbewiesene Behauptungen oder vorgebliche Tatsachen gestützt werden. Damit sollen nicht erwiesene Annahmen aus dem Prozess ferngehalten werden, die dem Befragten eine bestimmte Antwort nahe legen würden. Eine Ausnahme bilden mit weiteren Einschränkungen ausdrücklich als hypothetisch bezeichnete Fragestellungen.

In ähnlicher Weise wirken Suggestivfragen, die als sogenannte leading questions ebenfalls verboten sind, weil sie die Antwort bereits in der Frage vorwegnehmen. Von der Regel gibt es zahlreiche Ausnahmen, die Suggestivfragen teilweise zulassen, etwa im Rahmen des Kreuzverhörs oder um den Prozess in bestimmten Situationen zu beschleunigen.

Der wegen seiner zahlreichen Ausnahmen wohl komplexeste Einspruch kann gegen Hörensagen erhoben werden. In seiner Grundform, wenn der Befragte zu einer ihm gegenüber getätigten Aussage einer anderen Person vernommen wird, ist hearsay grundsätzlich unzulässig, wenn es darauf abzielt die Existenz einer durch die Aussage bestätigten Tatsache zu beweisen. Damit soll gewährleistet werden, dass immer der ursprüngliche Urheber der Aussage im Kreuzverhör zu deren Wahrheitsgehalt vernommen werden kann. Ein Zeuge vom Hörensagen könnte nur über den Wahrheitsgehalt seiner Wahrnehmung vernommen werden.

Soll dagegen bewiesen werden, dass jemand eine bestimmte Aussage gemacht hat, handelt es sich nicht um Hörensagen, sondern um die Mitteilung der eigenen Wahrnehmung. Die Formulierung der Frage und deren Bedeutung ist für den Einspruch wegen Hörensagen von grundlegender Bedeutung, da selbst Gesten oder Schriftstücke als Aussage angesehen werden können und deren Wiedergabe Hörensagen wäre. Die zahlreichen Ausnahmen vom Verbot des Hörensagens beziehen sich zum Beispiel auf die Wiedergabe von Geschäftsberichten, frühere Aussagen oder Aussagen zu einem physischen oder psychischen Zustand.

Ein Einspruch kann auch erhoben werden, wenn zwei oder mehr Fragen im gleichen Satz gestellt werden. Durch diesen multiple questions Einspruch soll verhindert werden, dass die Antwort des Befragten keiner Frage eindeutig zuzuordnen ist oder der Befragte durch die Vielzahl der Fragen verwirrt wird.

Im Gegensatz zum deutschen Beweisrecht fällt hierunter auch das Verbot der offenen Fragestellung, die den Befragten zu einer umfänglichen Berichterstattung auffordern, da dabei gleich mehrere Fragestellungen impliziert sein könnten. Außerdem dürfte eine solche offene Fragestellung auch gegen das Relevanzgebot, das Hörensagenverbot und andere Verbote verstoßen. Allerdings wird das Verbot der offenen Fragestellung zur Beschleunigung der Gerichtsverfahren relativ flexibel gehandhabt.

Dies gilt in dem Zusammenhang auch für den Einspruch wegen vager Fragestellungen. Zwar muss eine Frage klar formuliert und auf eine spezifische Information gerichtet sein, sie muss allerdings nicht grammatikalisch korrekt sein. Verboten sind auch Fragen, die den Befragten zu Spekulationen zwingen. Schätzungen können darunter fallen oder die Einschätzung fremder Gefühlsregungen. Auch diese Regelung ist nur eingeschränkt auf expert witnesses anwendbar.

Anwälten oder Staatsanwälten ist es auch verboten Fragen mehrfach zu stellen, wenn diese bereits beantwortet wurden. Wird einem repetetive questions Einspruch stattgegeben, hat der Fragesteller die Möglichkeit die Frage neu zu formulieren.

Der letzte große Komplex auf den ein Einspruch gestützt werden kann ist der Bereich der Aussageverweigerungsrechte. Diese müssen von er Partei geltend gemacht werden, da sie sonst nicht zu beachten sind. Ähnlich wie in Deutschland sind bestimmte Vertrauensverhältnisse besonders geschützt. Darunter fallen Informationen aus einem Mandatsverhältnis, dem Arzt-Patienten-Verhältnis, dem journalistischen Quellenschutz und ähnlichem; darüber hinaus die Aussageverweigerungsrecht aus familiären Gründen zwischen Eltern und Kind so wie Ehemann und Ehefrau.

Der Grundsatz des fehlenden Zwangs zur Selbstbelastung erschöpft sich wie die anderen Aussageverweigerungsrechte im Recht der Verweigerung einer spezifischen potentiell inkriminierenden Aussage. Der Umgang mit dem Schweigeprivileg ist darüber hinaus noch besonders stark von einzelstaatlicher Zersplitterung betroffen.

Nicht nur, dass der Anwalt sich alle Ausnahmen und Einsprüche merken muss, im amerikanischen Gerchtsverfahren geht es bei den Einsprüchen auch um Geschwindigkeit, da Antworten auf unzulässige Fragen nicht automatisch unverwertbar werden.


*   Lothar Lieske studierte Rechtswissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo er gleichzeitig den Zertifikatsstudiengang "Anglo American and International Legal Studies" abschloss. Er absolvierte seinen Referendardienst im Landgerichtsbezirk Erfurt. Derzeit arbeitet er als wissenschftliche Hilfskraft am Lehrstuhl Prof. H. Alwart für Strafrecht und Strafpozessrecht an der Friedrich-Schiller-Universität. In Kürze wird er den Aufbaustudiengang "Privates und Öffentliches Wirtschaftsrecht" ebenfalls an der Friedrich-Schiller-Universität mit dem LL.M. oec. abschließen. Die Interessenschwerpunkte seiner juristischen Arbeit liegen in den Bereichen des Wirtschaftsstrafrechts und Compliance. Für diesen Bericht recherchierte er im Rahmen seines Washingtoner Postgraduate-Praktikums in der Washingtoner Wirtschaftskanzlei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP.


Zitierweise / Cite as: Lieske, Einspruch, euer Ehren!, 16 German American Law Journal (6. Juni 2007), http://www.amrecht.com/lieske2007beweisrecht.shtml


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