Am 17. Mai dieses Jahres wies ein Geheimgericht, der Foreign Intelligence Surveillance Court, eine Reihe vorgeschlagener neuer Richtlinien über die Handhabung von mit geheimdienstlichen Mitteln erlangten Informationen zurück. Die Veröffentlichung dieser Entscheidung1 stellt ein Novum dar und wirft ein Schlaglicht auf die Auseinandersetzung des Gerichts und des Justizausschusses des Senats2 mit dem Justizministerium.
Geschichtliches
Dem im Jahre 1791 in die U.S.-Verfassung aufgenommenen vierten Zusatz zufolge darf die Unverletzlichkeit der Wohnung nicht durch Durchsuchungen und Beschlagnahmen betroffen werden, die ohne zureichenden Verdacht und nicht hinreichend bestimmt angeordnet werden. Diese Anforderungen konkretisierte das Bundesverfassungsgericht, der U.S. Supreme Court in Washington D.C., im Jahre 1967 in einer Reihe von Vorgaben, welche allerdings, wie das Gericht später in Katz v. United States (1967) feststellte, die Exekutive nur im Bereich des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens beschränken sollten, nicht dagegen dort, wo die nationale Sicherheit berührt wird. Dies ist aber gerade im Bereich der Spionageabwehr der Fall. Die Behörden mißbrauchten diesen verbliebenen Freiraum jedoch mehrmals, woraufhin das Verfassungsgericht die Legislative dazu anhielt, für den Bereich mit dem Ziel der Spionageabwehr auf dem Boden der Vereinigten Staaten durchgeführter Abhörmaßnahmen ein gesondertes Regelwerk zu schaffen. Im Jahre 1978 trat der Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) in Kraft. Er befaßte sich ursprünglich mit elektronischen Abhörmaßnahmen, wurde dann 1994 auch auf Durchsuchungsmaßnahmen und 1998 auf Fangschaltungen ausgedehnt.3 Beachtenswerterweise fallen in den Fällen der ersten beiden Arten von Maßnahmen nur U.S.-Staatsbürger und Personen mit dauerhafter Aufenthaltserlaubnis unter den Schutz des FISA. Richten sich jene Maßnahmen dagegen gegen Nicht-U.S.-Bürger ohne dauerhaftes Aufenthaltsrecht, so bedarf es lediglich einer Genehmigung des Justizministers und findet keine gerichtliche Überprüfung statt.4
In allen anderen Fällen bedarf es der Zulassung der Maßnahme durch einen Richter des erstinstanzlichen Foreign Intelligence Surveillance Court,5 dessen Mitglieder der Präsident des Bundesverfassungsgerichts ernennt. Bislang hat dieses Geheimgericht einige tausend Anträge bearbeitet.6 Ein ähnlich errichtetes Berufungsgericht und schließlich das Bundesverfassungsgericht können um eine Überprüfung der Entscheidungen ersucht werden.7 Die Richter müssen dabei die Entscheidungsgründe nur bei Ablehnung eines Antrags auf Zulassung einer Überwachungsmaßnahme mitteilen.8 Es überrascht nicht, daß die Anträge, Protokolle und Anordnungen geheimgehalten werden.9
Die Behandlung von Daten nach dem FISA
Da über Anträge zur Zulassung von Abhörmaßnahmen im Rahmen der Abwehr geheimdienstlicher Aktivitäten fremder Mächte unter Anlegung besonderer Maßstäbe und ohne Anhörung des Betroffenen entschieden wird,10 geschieht die Verarbeitung der auf diesem Wege erlangten Informationen unter Beachtung besonderer Vorgaben. Zunächst werden die gewonnenen Daten nach Maßgabe sogenannter "minimization procedures"11 behandelt und auf die notwendigen Bestandteile reduziert. Besagte Richtlinien werden vom Justizminister vorgeschlagen und durch die zuständigen Gerichte genehmigt.12 Sie müssen dem Gesetz zufolge sicherstellen, daß die Informationen nur insoweit erhoben, gespeichert und verbreitet werden dürfen, als dies mit dem legitimen, staatlichen Interesse der Spionageabwehr und Terrorismusbekämpfung vereinbar ist.13
Die Weitergabe solchermaßen erlangter Informationen an die Strafverfolgungsbehörden kann außer aufgrund einer Erlaubnis in den "minimization procedures" nur durch gerichtliche Anordnung geschehen.14 Dort, wo die Weitergabe ohne gerichtliche Mitwirkung erlaubt ist, werden Schutzwände eingezogen zwischen den Abwehr- und Strafverfolgungsabteilungen in der Gestalt von neutralen dritten Personen, welche die gesammelten Informationen begutachten und nur als Beweismittel taugliche Bestandteile weitergeben sollen.15
Die Ereignisse des 11. September 2001 haben Bedenken, den staatlichen Ermittlungsbehörden weitreichende Befugnisse zu erteilen, vielerorts aus dem Weg geräumt. Durch den am 26. Oktober 2001 verabschiedeten USA Patriot Act wurden einzelne Bestimmungen des FISA zugunsten der Behörden aufgeweicht, insbesondere dadurch, daß in der Abwehr tätige Ermittler sich weitgehend mit den Strafverfolgungsbehörden abstimmen dürfen.16 Im Zuge dieser Entwicklung sollte nach dem Willen des Justizministeriums der Austausch von Informationen und die Abstimmung zwischen den mit Spionage- und Terrorabwehr sowie jenen mit Strafverfolgung befaßten Bundesermittlern nochmals beträchtlich erleichtert und damit die grundsätzliche, vom Bundesverfassungsgericht aufgestellte Barriere nahezu vernichtet werden.17 Das Geheimgericht überprüfte nun den Richtlinienvorschlag des Justizministeriums anhand der Vorgaben des Gesetzes18 und änderte ihn in Teilen ab.
Rechtsauffassung des Gerichts
Die Akribie der Ausführungen des Gerichts zeugt von den vorangegangenen Meinungsverschiedenheiten mit der Exekutive. Es stellt zunächst fest, daß dem FBI im Anwendungsbereich des FISA "außerordentlich weitreichende Befugnisse zur Informationsgewinnung" erteilt werden, gestützt auf die Erwägung, daß geheimdienstliche und terroristische Unternehmungen mit "bedeutender Anleitung und Unterstützung durch erfahrene Geheimdienste [...] und gut finanzierte internationale Terrorgruppen" geführt werden.19 Diesen Befugnissen muß ein Gegengewicht entgegengesetzt werden.20 Daraufhin untersucht es die neu vorgeschlagenen Richtlinien und merkt kritisch an, daß seit März 2000 in mehreren Fällen Daten ohne erforderliche Genehmigungen verbreitet wurden.21
Die neuen Richtlinien sehen vor, im Strafverfolgungsbereich tätigen Mitarbeitern des FBI Zugang zu jeglichen aufgrund des FISA erlangten Informationen zu geben. Darüberhinaus sollen diese Ermittler ihre im Abwehrbereich tätigen Kollegen sowohl im allgemeinen als auch bezogen auf einzelne Abhöroperationen beraten und in ihrer Tätigkeit anleiten dürfen.22 Darauf bezugnehmend gesteht das Justizministeriums zu, daß hierdurch die FISA-Befugnisse "in erster Linie zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt würden."23 Hier sieht das Gericht die Gefahr einer Ersetzung der bisher für den Strafverfolgungsbereich geltenden Bundesgesetze.24 Es faßt seine Erwägungen zusammen und schließt, daß die eingereichten neuen Richtlinien nicht den legal definierten Anforderungen für "minimization procedures" genügen.25 Um diesen Mangel zu beheben, ändert es die anstößigen Passagen von sich aus ab, um die "helle Linie" zwischen den Ermittlungsbereichen wiederherzustellen.26
Ausblick
Die Entscheidung des Gerichts ist außerordentlich begrüßenswert. Obgleich der Staat ein legitimes Interesse daran hat, sich mit geheimdienstlichen Mitteln geführten Angriffen unter Zuhilfenahme einscheidender Maßnahmen zu erwehren, so darf dies nicht dazu führen, daß Grundprinzipien des strafrechtlichen Ermittlungs- und Gerichtsverfahrens zu Lasten des Einzelnen erschüttert werden. Der Tendenz, unter Hinweis auf existentielle Bedrohungen der Gesellschaft durch den Terrorismus die Rechte der Angeklagten empfindlich zu beschneiden, muß entgegengewirkt werden.
Zwar kann diese Entscheidung auch als Maßnahme zur Stärkung des in den USA meist nur schwach ausgeprägten Schutzes der Privatsphäre angesehen werden. Da sie jedoch in den Schnittbereich von Strafverfolgung und Spionageabwehr fällt und die Möglichkeiten der Informationsgewinnung nicht einschränkt, ist ihre Bedeutung für den Datenschutz zurückhaltend zu beurteilen.
* Stephan Meyer studiert Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und beschäftigt sich mit dem Recht des geistigen Eigentums sowie mit der Examensvorbereitung. Er ist unter stephan.meyer@pobox.com zu erreichen.
Fußnoten
1 als PDF- oder HTML-Version;
nachfolgend "Entsch."; Seitennummern beziehen sich auf die PDF-Version. (zurück)
2Senatoren dieses Ausschusses veröffentlichten die Entscheidung am 22. August, nachdem zuvor Justizminister Ashcroft keine Kooperationsbereitschaft gezeigt hatte im Hinblick auf eine Reform des FISA. (zurück)
3siehe auch die FISA-FAQ der Electronic Frontier Foundation (zurück)
450 U.S.C. §§ 1802 (a)(1)(B) 1822 (a)(1)(A)(ii) (zurück)
550 U.S.C. §§ 1803 (a) 1822 (c) (zurück)
6Entsch. S. 5 (zurück)
750 U.S.C. §§ 1803 (b) 1822 (d) (zurück)
850 U.S.C. §§ 1803 (a)(b) 1822 (c)(d) (zurück)
950 U.S.C. § 1803 (c) (zurück)
10dazu Entsch. S. 9 (zurück)
11dazu Entsch. S. 9 f. (zurück)
12siehe 50 U.S.C. 1801 (h) 1806 (a) 1825 (a) (zurück)
1350 U.S.C. 1801 (h) (zurück)
1450 U.S.C. 1806 (f) 1825 (g) (zurück)
15Entsch. S. 15 f. (zurück)
1650 U.S.C. 1806 (k) (zurück)
17Entsch. S. 7 (zurück)
1850 U.S.C. 1805 (a)(4) 1824 (a)(4); Entsch. S. 4 (zurück)
19Entsch. S. 9 (zurück)
20Entsch. S. 19 (zurück)
21Entsch. S. 16 f. (zurück)
22Entsch. S. 21 (zurück)
23Entsch. S. 22 (zurück)
24Entsch. S. 22 (zurück)
25Entsch. S. 24 f. (zurück)
26Entsch. S. 27 (zurück)
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