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Haftung bei unbegründeter Discovery für Partei-EMail

Zivilrechtliche Haftung bei Verwendung einer offensichtlich unbegründeten Discovery-Verfügung auf Offenlegung des Emailverkehrs - Entscheidung des kalifornischen Berufungsgerichts im Fall Theofel v. Farey-Jones

Von Markus Perz
Erstveröffentlicht am 9. September 2003

Der Berufungskläger ICA und der Beklagte Farey-Jones befanden sich in wirtschaftsrechtlichen Streitigkeiten. Zur Beweiserhebung erwirkte Farey-Jones eine Discovery-Verfügung gegen den Internet Service Provider des Klägers, NetGate, gerichtet auf Offenlegung des Emailverkehrs des Klägers. Die Verfügung war in dieser Form auf Grund fehlender Beschränkung in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht zu weitgehend, mithin unverhältnismäßig und folglich rechtswidrig. Dennoch erfolgte auf Grund der Verfügung eine Offenlegung seitens NetGate, die hierbei nicht anwaltlich beraten wurden.

Nach Kenntniserlangung erwirkten die Kläger sogleich die gerichtliche Verwerfung der Verfügung; auf Grund der offensichtlichen Unbegründetheit der Verfügung wurde desweiteren festgestellt, dass die Beklagten zumindest grob fahrlässig gehandelt hatten, und eine Strafe in Höhe von $9000 verhängt.

Eine zivilrechtliche Klage blieb allerdings erfolglos. Insbesondere wurde auf untergerichtlicher Ebene festgestellt, dass der Tatbestand verschiedener Bundesgesetze, insbesondere des Stored Communications Act (Gesetz über gespeicherte Kommunikation), des Wiretap Act (Gesetz gegen Abhören) sowie des Computer Fraud and Abuse Act (Gesetz gegen Computerbetrug und -missbrauch) nicht erfüllt ist.

Der Kläger legte Berufung ein. Das Urteil des Untergerichts wurde vom Berufungsgericht weitgehend verworfen. Im einzelnen führte Richter Kozinski, einer der einflussreichsten Richter im Bundesberufungsgericht für den Neunten Bezirk, der Kalifornien einschließt, Folgendes aus:

1. Ein Verstoß gegen den Stored Communications Act ist nicht bereits ausgeschlossen, weil NetGate die Emails herausgab und damit eine als Rechtfertigungsgrund zu charakterisierende Autorisierung hinsichtlich der Erlangung der Emails vorlag. Grund hierfüür ist, dass die Herausgabe kausal durch die Vorlage der später für ungültig erklärten Verfügung verursacht wurde. An dieser Stelle ist die grobe Fahrlässigkeit der Beklagten bei der Erwirkung der Offenlegungsverfügung zu berücksichtigen, die zu einem Kennenmüssen der Rechtswidrigkeit der Verfügung seitens der Beklagten führte. Insoweit ist die Lage vergleichbar mit einer durch Täuschung erschlichenen Einwilligung hinsichtlich des Betretens eines Hauses, die im amerikanischen Deliktsrecht (tort of trespass) nicht zu einer wirksamen Autorisierung führt. Aus diesem Grund kann hier in Anbetracht der Bösgläubigkeit der Beklagten nicht von einer Autorisierung bei der Erlangung der Daten gesprochen werden.

Nicht entgegen steht an dieser Stelle, dass NetGate der Verfügung hätte widersprechen können, da NetGate weder anwaltlich beraten war noch die Kosten eines solchen Verfahrens wegen Geringfügigkeit zu vernachlässigen wären.

Auch sind vom Stored Communications Act sowohl Daten umfasst, die nur zwischengespeichert werden, als auch Daten, die nach Übertragung an den Empfänger, wie in vorliegendem Fall, zur Sicherung dauerhaft weitergespeichert werden.

Ein Verstoss gegen den Stored Communications Act ist daher zu bejahen.

2. Mangels Vorliegens einer mit der Übertragung zeitgleichen Datenerlangung erachtet das Berufungsgericht ebenso wie zuvor das Untergericht den Tatbestand des Wiretap Act für nicht erfüllt; denn hier fehlt es bereits am Abfangen i.S.d. Gesetzes, da die Daten im Speicher abgelegt waren und von dort erlangt, nicht aber bei Übertragung abgefangen wurden.

3. Abweichend von der Ansicht der Vorinstanz scheitert die Anwendbarkeit des Computer Fraud and Abuse Act jedoch nicht bereits an der Tatsache, dass der Computer, auf den zugegriffen wurde, derjenige einer dritten Partei (NetGate) war. Grund hierfür ist, dass vom Schutzbereich des Gesetzes jeder umfasst ist, der durch nicht autorisierten Zugriff einen Schaden erleidet. Weiteres Tatbestandsmerkmal ist u.a. das Vorliegen eines Schaden, der den Betrag von $5000 übersteigt. Da eine Geltendmachung durch den Kläger bislang nicht erfolgte, wurde hierüber an dieser Stelle nicht entschieden. Aus o.g. Gründen wurde jedoch festgestellt, dass eine Rechtfertigung auf Grund der Einwilligung NetGate´s in die Offenlegung der Emails nicht in Betracht kommt.

4. Auch eine zivilrechtliche Haftungsfreistellung auf Grund der Noerr-Pennington Regelung, nach der beispielsweise der Akt der Klageerhebung keine zivilrechtliche Haftung begründet, um gerade eine Kompensation für erlittenes Unrecht zu ermöglichen, erscheint vorliegend nicht gegeben. Denn zum einen ist bereits die Anwendbarkeit fraglich, da die streitbehaftete Verfügung nur im weitesten Sinne zur Klageerhebung gezählt werden kann und die Regelung ursprünglich nur für hoheitliche Akte (beispielsweise der Regierung) galt. Zum anderen umfasst die Regelung nicht Streitigkeiten, die bei objektiver Betrachtungsweise nicht fundiert sind. Da in vorliegender Situation die Verfügung jedoch offensichtlich und für den Kläger erkennbar rechtswidrig war, liegt hier ein Fall mangelnder Fundierung vor. Eine Haftungsfreistellung nach der Noerr-Pennington Regelung kommt damit nicht in Betracht.


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