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Anforderungen an Strafschadensersatz im Schiedsverfahren

Sawtelle et al. v. Waddell & Reed, Inc. et al.


von Clemens Kochinke *

Die Revisionsinstanz des Supreme Court of New York erörterte am 11. Februar 2003 im Fall Sawtelle et al. v. Waddell & Reed, Inc. et al. die Kriterien der gerichtlichen Überprüfung eines Schiedsspruchs, der neben dem Ersatz des tatsächlichen Schadens und der Erstattung von Anwaltshonoraren auch einen Strafschadensersatz in Höhe des 23-fachen Schadensbetrages vorsah.

Nach unstreitig gültiger Schiedsvereinbarung wurden im Schiedsverfahren an 50 Anhörungstagen Sachverhalts- und Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Kündigung des Börsenmaklers Sawtelle durch seinen im Wertschriftengeschäft tätigen Arbeitgeber Waddell geprüft. Das Schiedsgericht ermittelte, dass Waddell versuchte, Sawtelles Klientel durch eine Schmierkampagne vom Wechsel zu seinem neuen Arbeitgeber abzuhalten, und zudem ihn versuchte, ihn bei der Börsenaufsicht NASD durch schriftliche Anzeigen behaupteten Fehlverhaltens anzukreiden. Er erlitt einen Einkommensverlust, und das Schiedsgericht bejahte seinen deliktischen Anspruch aus dem ungerechtfertigen Eingriff in seine Geschäftserwartungen und den wettbewerbsrechtlichen Schadensersatzanspruch nach dem unstrittig anwendbaren Recht des Staates Connecticut (Conn. Unfair Trade Practices Act [CUTPA]). Schließlich war sein Antrag auf die Löschung des Eintrags beim Aufsichtsamt erfolgreich.

Im gerichtlichen Vollstreckungsverfahren entschied der Supreme Court als Gericht erster Instanz auf die gegenlautenden Anträge der Parteien, dass der Schadensersatz um doppelt zugesprochene Anwaltsgebühren zu reduzieren sei, während es den Löschungstenor bestätigte. Den Strafschadensersatztenor bestätigte es ebenfalls, weil nach seiner Auffassung das Bundesschiedsgesetz, Federal Arbitration Act (FAA), lediglich eine beschränkte Überprüfung des Schiedsspruches gestatte und die Rechtsstaatsgrundsätze des Due Process nach der Bundesverfassung nicht auf Schiedsverfahren anwendbar sei. Es sah sich nicht durch die Entscheidung des Obersten Bundesgerichtshofes der Vereinigten Staaten in Sachen BMW of N. America, Inc. v. Gore gebunden, weil Gore prozessual wirke und keinen materiellen Einfluss auf Schiedsverfahren ausübe. Selbst wenn Gore gelte, würde es die Rechtmäßigkeit des Strafschadensersatzes nicht beeinflussen. [Nachtrag: Anzumerken ist, dass diese Entscheidung wie auch das Revisionsurteil vor der Entscheidung des US Supreme Court in Sachen State Farm Mutual Automobile Insurance Company v. Inez Preece Campbell et al., Kochinke, U.S. Supreme Court setzt Strafschadensersatz Grenzen, 12 German American Law Journal, 8. April 2003, http://www.amlaw.us/end-pun.shtml erging, die zum ersten Mal eine klare Richtlinie für die Höhe der Punitive Damages vorlegte.]

Das Revisionsurteil stellte zunächst auf den Prüfungsstandard des FAA für Schiedsurteile ab, der dem Gericht einen äußerst begrenzten Rahmen setze und eine ungewöhnlichen starken Nachweis der Rechtswidrigkeit erfordere. Die notwendige "manifest disregard" geht weit über rechtliche Fehler oder Missverständnisse hinaus und verlangt nahezu einen Rechtsbeugungsvorsatz: Bei Kenntnis der anwendbaren Rechtsgrundsätze ihre Anwendung verweigern oder das Recht ignorieren. Dabei muss das Gericht außerordentlich behutsam vorgehen und darf den Schiedsspruch nicht aufheben, wenn lediglich ein unterhalb der Schwelle der Schlüssigkeit liegender Ansatz für die Rechtmäßigkeit des Schiedsergebnisses erkennbar ist.

Mit entsprechender Vorsicht arbeitete sich die Revision zum Ergebnis vor, dass Gore materiell zu berücksichtigen ist, weil die FAA-Kriterien und die Due Process-Merkmale im Hinblick auf die Leitlinien des US-Supreme Court deckungsgleich seien. Diese Aussage ist von fallüberragender Bedeutung, da sie sich auf alle Strafschadensersatzschiedsfälle auswirkt. Wenn der Betrag im Sinne von Gore exzessiv ist, kann er im Sinne des FAA irrational sein und damit den Schiedsspruch hinfällig werden lassen.

Die nach Gore unverzichtbare Verwerflichkeit des deliktischen Verhaltens fand das Gericht im Sachverhalt nicht bestätigt. Als wichtige befand es die zeitliche und personelle Einmaligkeit der Schmierkampagne, die erhebliche Unverhältnismäßigkeit des Betrages im Vergleich zu bisher in Connecticut nach den anwendbaren Rechtsinstituten gewährten Strafschadensersatzbeträgen sowie zu den vom Gesetzgeber für vergleichbare Zivil- oder Straffälle für angemessen erachtete Sanktionen,und schließlich die Betrachtung der NASD-Meldungen als vorsorgliche, in ihrer Wirkung und Bedeutung nicht überzubewertende Geschäftsroutine. Außerdem handele es sich bei dem maßgeblichen Vorfall lediglich um eine zwei Parteien berührende Geschäftsangelegenheit, nicht um einen eine Präventiv- oder Vergeltungsmaßnahme rechtfertigenden deliktischen Vorgang mit Massen- oder Dauerwirkung. Diese Merkmale lassen den zuerkannten Betrag völlig aus dem gesetzlichen und durch Präzedenzfälle belegten Rahmen fallen, erkannte das Gericht.

Außerdem stellte es fest, dass der Schiedsspruch auf einer Rechtsanwendungsverweigerung im Sinne des "manifest disregard of the law" beruht. Die Parteien hatten dem Schiedsgericht ausführlich und einvernehmlich die anwendbaren Maßstäbe des Rechts von Connecticut über die Höhe des Strafschadensersatzes dargelegt, welches den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit aufweist und auf etwa das Doppelte der "compensatory damages" hinausläuft. "Wenn das Schiedsgericht den anwendbaren Gesetzesrahmen verläßt, haben die Gerichte keine andere Wahl als einzugreifen", denn "eine dem Schiedsverfahren zustimmende Partei begibt sich eines Forums, nicht der Rechtstaatlichkeit," erklärte das Gericht unter Bezug auf den Obersten Bundesgerichtshof in Sachen Mitsubishi Motors Corp. v. Soler Chrysler-Plymout, Inc. und das Bundesberufungsgericht für den District of Columbia in Sachen Cole v. Burns Int'l. Sec. Svcs. Der Sachverhalt überzeugte das Gericht von einer Verletzung des Ordre Public durch den Schiedsspruch. Daher hob es die Entscheidung des Untergerichts im Strafschadensersatztenor auf.

In Bezug auf die Korrektur der "compensatory damages" legte das Gericht die Merkmale seiner Prüfungshoheit dar und verwies unter anderem auf das Recht zur Berichtigung von Rechenfehlern nach Section 11(a) FAA. Nach seiner Ansicht folgerte das Untergericht unvermeidbar ("the conclusion is inescapable"), dass ein Rechenfehler vorliegt, und es bestätigte die Vorentscheidung.

Abschließend erörterte das Gericht die Umstände, die eine Rückverweisung an dasselbe Schiedsgericht erlauben oder eine andere Lösung aufdrängen. Es stellte im Ergebnis fest, dass dem Schiedsgericht trotz der fehlerhaften Zumessung der Schadensersatzbeträge kein schwerwiegendes Missverhalten vorzuwerfen sei. An ihn wurde der Fall zur Neubemessung des Strafschadensersatzes zurückverwiesen.


*   Der Verfasser ist bei diversen Gerichten bis zum Obersten Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten nach juristischer Ausbildung in den Vereinigten Staaten, England und Deutschland zugelassen und berät als Partner der Washingtoner Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP im internationalen Wirtschaftsrecht.


Cite as: Kochinke, Anforderungen an Strafschadensersatz in Schiedsverfahren, 12 German American Law Journal (March 1, 2003), http://www.amrecht.com/punitivedamages2003.shtml

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