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Peer-to-Peer-Technik versetzt Arroganz der Musikverleger einen rechtlichen Hieb

Peer-to-Peer-Technik versetzt Arroganz der Musikverleger einen rechtlichen Hieb

von Sabine Röttger *
Erstveröffentlichung 29. April 2003

In einer Entscheidung vom 25. April 2003 hat das Bundesgericht für den Mittleren Bezirk Kaliforniens Softwareentwicklern endlich den lang erwarteten Sieg über die Arroganz der Musikverleger gegeben. Die Musikverlage der USA haben sich mit der Filmverlagen verbündet, um das amerikanische Urheberrecht zulasten der Softwareentwickler und Kunden zu verschärfen. Gefordert werden weitgreifende Änderungen des US-Urheberrechts, die die urheberrechtlich verbrieften Rechte der Kunden nach der Fair Use-Doktrin des US-Rechts auszuhöhlen wüden. Gleichzeitig versuchten sie auf dem Klagewege, Unternehmen nach der Contributory and Vicarious Copyright Infringement-Doktrin für die Handlungen ihrer Kunden haftbar zu machen.

Die Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. verklagte die Software- und Internetanbieter StreamCast und Grokster mit der Behauptung, mittelbar Urheberrechtsverletzungen begangen zu haben. Unstreitig war, dass die unmittelbaren Urheberrechtsverstösse nur von Anwendern der Software begangen wurden, welche die Programme neben legalen Zwecken auch zum Austausch von Raubkopien benutzten.

Da der Klägerin jedoch weder der Beweis gelang, dass die Beklagten zu der Urheberrechtsverletzung begetragen haben (contributory infringment), noch dass die Beklagten das Recht und die Möglichkeit haben, den Einsatz der Software zu überwachen (vicarious infringment), entschied das Gericht, dass die Beklagten für die urheberrechtsverletzenden Aktivitäten der Programmbenutzer nicht haften.

Sachverhalt

In den konkreten Fällen (Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. v. Groster Ltd., C.D. Cal., Nr. CV 01-08541-SVW, 4/25/03; Metro-Goldwyn-Mayer Studios Inc. v. Consumer Empowerment BV, C.D. Cal.,No. CV 01-09923-SVW, 4/25/03) behaupteten die Musikverleger, die Software der Beklagten sei eine mit der Napster-Technik vergleichbare Methode zur Anfertigung von Kopien musikalischer Werke über das Internet.

Aus der Sicht der Software und Internet-Industrie handelt es sich jedoch um eine andersartige Technik. Napster setzte einen zentralen Server ein, der Daten über austauschbare Musikwerke enthielt und verteilte. Die Beklagten versetzen PC-Benutzer mit Internetanschluss durch das Betreiben ihrer Internetdienste in die Lage, im direkten Verkehr miteinander ohne Zwischenschaltung eines zentralen Servers in Verbindung zu treten und Daten auszutauschen. Dabei stehen die Benutzer in gleichrangiger, sogenannter Peer-to-Peer-Beziehung zueinander und sind keinem Hauptsystem zu- oder untergeordnet. Sie auch Kochinke und Geiger,Trends im US-Computer- und Internetrecht, Kommunikation & Recht, 2000, S.594, 596.

Das Gericht zeigte sich für diesen wesentlichen Unterschied aufgeschlossen und entschied, dass trotz des Napster-Präzedenzfalles (A&M Records Inc. v. Napster Inc., 239 F. 3d 1014 (9th Cir. 2001)) die Peer-to-Peer-Technik nicht dem dort entwickelten Verbot unterfalle. Vielmehr verhalte sich die Tatsachenlage eher wie die bei Herstellern von Tonträgergeräten, welche durch ihre Produkte zwar Raubkopien ermöglichen, aber nicht kontrollieren (vergl. Sony Corporation of Amerika v. Universal City Studio Inc., 464 U. S. 417 (1984)).

Begründung

Das Gericht wandte auf den Sachverhalt die in den Sony- und Napster-Entscheidungen entwickelten Prüfungskriterien, die Contributory and Vicarious Copyright Infringment Claims an, bei deren Vorliegen ein mittelbarer Urheberrechtsverstoss und eine Haftung begründet ist.

Nach den in der Sonyentscheidung entwickelten Contributory Copyright Infringment Claims ist für eine mitwirkende Urheberrechtsverletzung haftbar, wer wissentlich die urheberrechtsverletzenden Aktivitäten hervorruft, bestimmt oder wesentlich daran beteiligt ist. In diesem Fall stellte das Gericht fest, dass die Software der Beklagten unbestritten hauptsächlich legal genutzt und dass ein Missbrauch von den Beklagten in keiner Weise gefördert werde. Allein das generelle Wissen, dass die Benutzer die Software auch zu urheberrechtsverletzenden Zwecken verwenden könnten, könne eine Haftung noch nicht begründen.

Die in der Napsterentscheidung entwickelten Vicarious Infringment Claims setzen zweierlei voraus. Zunächst müssten die Unternehmen ein direktes finanzielles Eigeninteresse an den Kundenaktivitäten haben. Diesen Punkt sah das Gericht, wie im Fall Fonovisa Inc. v. Cherry Auction Inc., 76 F. 3d. 259 (9th Cir. 1996) im Hinblick auf die Gewinnung eines Kundenstammes in Millionenhöhe und die beträchtlichen Einnahmen aus Werbeanzeigen in Folge des Kundenverkehrs, unproblematisch als gegeben an.

Darüber hinaus müssten die Beklagten das Recht und die Möglichkeit zur Überwachung der Verwendung ihrer Software zum Schutz vor missbräuchlicher Nutzung besitzen. Das Gericht erkannte, dass den Beklagten - im Gegensatz zu Napster und Fonovisa - diese Möglichkeit fehle. Bei Napster wurden alle Kundenaktivitäten über das eigene Netzwerk ausgeführt. Nur registrierte Kunden konnten Daten herunterladen. Kunden konnten und wurden aus verschiedenen Gründen von der Benutzung ausgeschlossen. Die Beklagten, die die Peer to Peer Technologie anwenden, haben im Gegensatz dazu keinerlei Möglichkeiten die Personen zu überwachen, die ihre Dienste in Anspruch nehmen. Deshalb, so betonte das Gericht abschliessend, bestehe auch keinerlei Verpflichtung der Beklagten nachträglich die Programme abzuändern um deren Missbrauchsmöglichkeit zu erschweren, selbst wenn dies technisch möglich wäre.

Wertung und Ausblick

Diese Entscheidung bestätigt, dass die vom Obersten Bundesgerichtshof der Vereinigten Staaten in Washington bestimmten Leitlinien für die Grenzen des Urheberrechts der fallspezifischen Technik entsprechend sinnvoll angewandt werden können, ohne die von der Musik- und Filmindustrie geforderte weitgreifende Änderung des US-Urheberrechts notwendig zu machen. Die wesentlichen Kritieren für die Prüfung kristallisieren sich wie folgt heraus:

    Contributory Infringement, wie im Falle Sony:
  • Der Beklagte bestimmt oder veranlasst Dritte wissentlich zum verletzten Verhalten oder trägt wesentlich zu diesem verletzenden Verhalten bei; und
  • "Substantial non-infringing uses" liegen nicht vor.
    Vicarious Infringement, wie im Falle Napster:
  • Der Beklagte verfügt über das Recht und die Möglichkeit zur Aufsicht über die verletzenden Handlungen, und
  • er besitzt ein direktes finanzielles Interesse an solchen Handlungen.


* Die Verfasserin dankt Herrn Rechtsanwalt Clemens Kochinke, Partner der Washingtoner Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe, LLP für seine Anregungen und Hilfestellungen zu diesem Beitrag. Die Verfasserin wirkt zur Zeit in ihrer Auslandswahlstation in der Washingtoner Kanzlei Berliner, Corcoran & Rowe. Sie ist Diplomfinanzwirtin, studierte Jura in Köln und ist Rechtsreferendarin am Landgericht in Köln.