German American Law Journal :: Articles Edition
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Aufgabe von Grundeigentum
Ein Rechtsvergleich zwischen Deutschland und Florida


von Cornelia Schuster *
Erstveröffentlichung: 16. September 2016


Im deutschen wie auch im amerikanischen Rechtssystem besteht die Möglichkeit, Grundeigentum aufzugeben. Das wird immer dann rele­vant, wenn das Grundeigentum mangels Nachfrage nicht verkäuflich ist und aufgrund zahlreicher Steuern und Abgaben kein positiver Nutzen besteht. Während im amerikanischen Rechtssystem die Auf­ga­be des Eigentums über eine Art zweistufiges Ver­stei­gerungs­ver­fah­ren vollzogen wird, folgt die Eigen­tum­aufgabe im deutschen Recht unter Mitwirkung des Grundbuchamts und Aneignungsrechten des Landesfiskus. Das Konzept im amerikanischen Rechtskreis unterliegt dem einzelstaatlichen Recht. Exemplarisch wird es anhand des Sta­ates Florida durchdekliniert.

I. Deutschland

1. Verzicht

Die Aufgabe von Grundeigentum ist in § 928 BGB geregelt. Diese erfordert eine Verzichtserklärung, als einseitige empfangsbedürftige formfreie Willenserklärung gegenüber dem Grundbuchamt. Sie ist bedingungsfeindlich und § 925 Abs. 2 BGB findet entsprechende Anwendung. Die Erklärung ist unwiderruflich. Darüber hinaus bedarf es zur Wirksamkeit des Verzichts der Eintragung im Grundbuch. Bis dahin kann die Verzichtserklärung zurück­ge­nom­men werden1.

Ein hiernach wirksamer Verzicht führt zur Herrenlosigkeit des Grund­eigentums, einschließlich seiner wesentlichen und der dem Grund­stücks­eigentümer gehörenden nichtwesentlichen Bestandteile. Zube­hör am Grundeigentum wird erst mit Besitzaufgabe herrenlos, § 959 BGB. Rechte Dritter am Grundeigentum bleiben bestehen.

2. Aneignung

Das Recht zur Aneignung obliegt nur dem Landesfiskus der bele­ge­nen Sache und ist ein dingliches Recht eige­ner Art2. Dieses Recht ist übertragbar. Der Eigentumsübergang erfolgt erst mit Eintritt des Berechtigten. Das er­for­dert neben einem Antrag gemäß § 13 GBO eine Aneignungserklärung in der Form des § 29 GBO. Der Fiskus kann selbst auf das Aneignungsrecht verzichten. Der Verzicht ist durch einseitige formfreie Erklärung gegenüber dem Grundbuch­amt möglich und führt dazu, dass jeder Dritte sich das Grundeigentum gemäß § 927 BGB an­eig­nen kann3. Die Aneignung ergreift die Sur­ro­gate des Grundstücks, z.B. den Übererlös in der Zwangs­ver­stei­ge­rung. Eine gegebenenfalls folgende Zwangsversteigerung erfolgt nach § 767 ZPO.

3. Grundsteuer

Schuldner der Grundsteuer ist gemäß § 10 GrStG derjenige, dem der Steuergegenstand bei der Feststellung zugerechnet wird, sowie der Erbauberechtigte. Steuerschuldner ist daher nicht der vormalige Eigen­tümer eines herrenlosen Grundstücks4. Mit Aufgabe des Eigen­tums endet daher die Verpflichtung zur Bezahlung der Grund­steuer.

4. Problemkreise

Im Kontext von Eigentumsaufgaben ergeben sich vielfältige und äußerst umstrittene Fragestellungen, die auf­grund zuletzt zuneh­men­der Eigentumsaufgaben in strukturschwachen Gebieten der Bundes­re­blik Deutsch­land aktuell sind. Ein Schwerpunkt der Proble­ma­tik stellt die Frage dar, ob mit Eigentumsaufgabe auch die Verkehrs­si­che­rungs­pflicht und die öffentlichrechtliche Zustandsstörer­haf­tung en­det5. Die Frage war vielfach Grund­lage von Entscheidungen und ist bis heute nicht höchstrichterlich geklärt. Ein ähnliches Bild ergibts sich auch bei Kom­munal­abgaben6.

II. Amerikanisches Recht anhand des Beispiels Florida

1. Aufgabe von Grundbesitz mittels Steuerpfandrechtsverkäufen

Im Staat Florida gibt es das Rechtskonzept des Steuer­pfand­rechts­ver­kaufs. Dieses Prinzip, auch genannt Steu­er­schuld­ver­schrei­bung7 führt zur Zwangsversteigerung des betroffenen An­we­sens. Nach­fol­gend wer­den das Verfahren sowie der zeitliche Rahmen skizziert. Vorab ist klarzustellen, dass dieses Verfahren von Amts we­gen eintritt, sobald die überfällige Grundsteuer unbezahlt bleibt. Bei Vorliegen eines Antrags kommt es binnen zwei Jahren zu einer Versteigerung des Grundeigentums.

2. Erste Phase - Steuerpfandrecht/Tax Certificate Sale8

Grundsätzlich werden in Florida Grundsteuern jeweils ab dem 1. No­vember für das laufende Jahr und bis spä­testens 1. April des fol­gen­den Jahres gezahlt9. Die Steuern sind an den sogenannten Tax Collector zu ent­rich­ten. Werden die Grundsteuern nicht pünktlich bis spätestens zum 1. April entrichtet, kommt es zu einem Säum­nis­zu­schlag von 3 %. Im Mai desselben Jahres werden ausstehende Grundsteuern jeweils einmal in der Woche für einen Zeitraum von insgesamt drei Wochen in der örtlichen Zeitung veröffentlicht.

Kommt es nicht zur Begleichung der Grundsteuern samt Säum­nis­zu­schlag, ist der Tax Collector gesetzlich ver­pflich­tet, bis zum 1. Juni eine Steuerpfandrechtsurkunde (Tax Certificate) auszustellen und die Zertifikate zu versteigern10. Dabei kann lediglich das Zertifikat er­wor­ben werden. Es handelt sich hierbei noch nicht um den eigent­lichen Grunderwerb durch den Ersteigerer. Dieses Zertifikat vermittelt ein Recht auf eine Zahlung in Höhe der ausstehenden Grundsteuern und des Säumniszuschlags sowie von Werbekosten und Steuer­pfand­kosten.

Die Zertifikate werden mittels Versteigerung an den Bieter versteigert, der die niedrigste Verzinsung bietet, wobei man bei 18% Prozent Ver­zinsung beginnt11. Davon ausgenommen sind Zertifikate mit einem Wert unter $ 25012. Die Zertifikate werden elektonisch beim Tax Collector Office aufbewahrt und haben eine Gültigkeit von sieben Jahren. Steuerzertifikate, die nicht ersteigert werden, gehen an den Landkreis mit 18 % Zinsen. Diese Zertifikate können jederzeit vom Landkreis erworben werden13.

Das Zertifikat wird im Laufe der folgenden Monate in Höhe des Zins­satzes, der beim Kaufangebot abgegeben wurde, einfach verzinst. Wird das Steuerzertifikat durch Rückzahlung der ausstehenden Steuern inklusive aller Gebühren von den Eigentümern des Grund­be­sit­zes abgelöst, erhält der Erwerber des Zertifikats nicht nur seinen Kauf­preis zurück, sondern auch die bis zur Rückzahlung an­ge­häuften Zin­sen14.

Zertifikate können von dem ursprünglichen Eigentümer, solange es nicht zur Zwangsversteigerung kommt, zurück erworben werden. Erforderlich ist die Zahlung der ausstehenden Steuern, des Säum­nis­zuschlags, der Zinsen so­wie sonstiger Gebühren an den Zertifikats­inhaber15.

3. Phase Versteigerung des Grundbesitzes/Foreclosure

Nach Ablauf von zwei Jahren ab Fälligkeitstermin (1. April) darf ein Zertifikatinhaber eine Versteigerung be­an­tra­gen. Nach sieben Jahren erlischt dieses Recht. Dabei sind Antragsgebühren an den Tax Collector zu ent­rich­ten, die weitere Gebühren enthalten, wie eine Titelgebühr sowie andere ausstehende Steuern und Ge­richts­gebüh­ren17.

Der Tax Collector beantragt die Versteigerung beim zuständigen Clerk des Circuit Courts. Der Clerk gibt dann die Versteigerung den Grundstückseigentümern bekannt18. Nach ca. drei bis vier Monaten nach dem Antrag kommt es zu einer öffentlichen Versteigerung des Grundeigentums19. Der Höchstbietende erhält den Zuschlag20. Sofern es sich bei dem Grundeigentum um ein unbebautes Grundeigentum handelt, beginnt das Eingangsgebot in Höhe der ausstehenden Grundsteuern, den Zinsen inklusive Kosten und Gebühren des Versteigerungsantrags.

4. Quellen und Quellen mit weiteren Nachweisen

https://www.floridabar.org/divcom/jn/jnjournal01.nsf/Author/FEE76FC27EB53A39852573050054A79B
http://www.taxcertsale.com/HamiltonTaxSale/UnderstandingTheFloridaDelinquencyProcess.pdf
http://www.broward.org/RECORDSTAXESTREASURY/FREQUENTLYASKEDQUESTIONS/Pages/TaxDeeds.aspx
https://www.sarasotataxcollector.com/services/tax-services/property-tax/tax-cert-sale


Fußnoten:

1  Bassenge, Palandt,§ 928 BGB, Rn. 2ff.
2  Kanzleiter, Münchner Kommentar zum BGB,§ 928 BGB, Rn. 12.
3  Bassenge, Palandt,§ 928 BGB, Rn. 4.
4  Troll, Eisele, GrStG, § 10, Rn 2a.
5  VG Meiningen, Beschluss vom 29.11.2013 - 5 E 570/ 13; OVG Münster, NJW 2010, 1988; VG Würzburg, 9.11.2006 - 5 K 05.1171; Apl. Professor Dr. Dr. Joachim Sanden, Altlastenverwantwortlichkeit trotz Derelektion, NvwZ, 2014, S. 1329ff m.w.N.
6  http://www.dnoti.de/gutachten/index.html/rechtsfolgen-der-aufgabe-des-eigentums-an-einem- gr/7503f5f5-2450-4e4e-afea-092297cca1ce?mode=detail.
7  https://de.wikipedia.org/wiki/Tax_Lien.
8  Florida Statutes 197.432.
9  https://www.sarasotataxcollector.com/services/tax-services/property-tax/ad-valorem.
10  Florida Statutes 197.432.
11  ebd.
12  ebd.
13  ebd.
14  Florida Statutes 197.472.
15  ebd.
16  a.a.O. 197.502.
17  a.a.O. 197.532.
18  a.a.O. 197.522.
19  a.a.O. 197.542.
20  ebd.


*   Cornelia Schuster ist Rechtsreferendarin im Oberlandesgerichtsbezirk München. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität in München hatte sie zunächst Stiftungen verwaltet und diese bei rechtlichen Fragestellungen beraten.