Schmerzensgeldansprüche in Deutschland und in den Vereinigten Staaten von Amerika
Von Klaus Weber *
Veröffentlicht am 13. April 2006
A. Einführung
Ziel dieses Aufsatzes ist die Darstellung der verschiedenen Schmerzensgeldsysteme von Deutschland und den USA. In den folgenden Abschnitten werden zunächst die deutschen Regelungen und dann die der Vereinigten Staaten dargestellt und erläutert. Hierauf folgt eine Gegenüberstellung beider Systeme, wobei deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten aufgezeigt werden sollen. Trotz der unterschiedlichen Rechtssysteme wird deutlich, dass die Rechtsfolgen nicht soweit auseinander liegen, wie man es vorher hätte vermuten können. Gerade in Bezug auf die Schmerzensgeldhöhe ist in den letzten Jahren eine angleichende Entwicklung zu erkennen.
B. Deutschland Zunächst erfolgt ein Überblick über die Regelungen des deutschen Schmerzensgeldrechts. Dabei dient die Darstellung der Grundlagen (I) zur Einführung in die Systematik. Es folgen Erläuterungen zu den verschiedenen Funktionen (II) des Schmerzensgeldes sowie Aufzählungen der verschiedenen Arten der Verletzungshandlungen (III), die zu einer Schadensersatzpflicht führen können. Anschließend werden die Grundlagen, die für die Bemessung (IV) maßgebend sind, beschrieben. Schließlich wird anhand von einigen Beispielen (V) aus der Rechtsprechung zu den jeweiligen Verletzungshandlungen die Systematik veranschaulicht.
I. Grundlagen
Grundsätzlich werden Vermögenseinbußen, die ein Geschädigter durch eine Verletzung erleidet, durch den Ersatz der Heilungskosten und des Verdienstausfalles ausgeglichen. Das gilt auch für vermögensrechtliche Nachteile, die ihm deswegen entstehen, weil die Heilbehandlung nicht sofort oder nicht vollständig zum Erfolg führt. Problematisch wird die Festsetzung eines Schadensersatzanspruchs, wenn dem Verletzten infolge von Verzögerungen oder Unerreichbarkeit der vollständigen Heilung immaterielle Beeinträchtigungen entstehen, die zu Einschränkungen der Lebensfreude und -qualität des Betroffenen und somit zu einem immateriellen Schaden führen. Für solche Schadenskonstellationen hat sich der Begriff des Schmerzensgeldes eingebürgert. Die Regelungen über den Immaterialschadensersatz bei Verletzung bestimmter Persönlichkeitsgüter sind in §253 Abs. 2 BGB angesiedelt.
Nach dieser Vorschrift kann derjenige eine billige Entschädigung in Geld verlangen, der durch eine Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung einen Schaden erlitten hat, der nicht Vermögensschaden ist. Ist eines dieser Rechtsgüter verletzt, hängt der Anspruch auf Immaterialschadensersatz seit der Reform im Jahre 2002 nicht mehr vom Haftungsgrund ab, sondern steht einheitlich für Klagen aus Delikt (§§ 823 ff. BGB), Gefährdungshaftung (§6 S. 2 HaftPflG; §11 S. 2 StVG; §36 S. 2 LuftVG; §32 Abs. 5 S. 2 GenTG; §8 S. 2 ProdHaftG; §87 S. 2 AMG; §13 S. 2 UmweltHG; §29 Abs. 2 S. 2 AtomG) und Vertragshaftung (§241 Abs. 2 BGB) zur Verfügung. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (BGH, NJW 1957, 383) besteht die Möglichkeit, dass dem Geschädigten anstelle oder zusätzlich zu einer einmaligen Zahlung eine in bestimmten Abständen zu zahlende Rente zugebilligt wird.
II. Funktionen
Nach Auffassung des BGH kommt dem Schmerzensgeld eine doppelte Funktion zu. Primär soll es dem Verletzten einen Ausgleich für die immateriellen Einbußen verschaffen, die die Verletzung bei ihm verursacht hat (BGHZ 18, 149, 154 f.). Zwar können die seelischen Entbehrungen und geistigen Beeinträchtigungen durch das Schmerzensgeld nicht beseitigt werden, jedoch kann es dem Geschädigten Annehmlichkeiten und Erleichterungen bieten.
Neben dieser Ausgleichsfunktion soll das Schmerzensgeld nach traditioneller Auffassung auch ausdrücken, dass der „Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet“ (BGHZ 18, 149, 155 f.). Im Bereich der Straßenverkehrsunfälle wird diese Funktion dadurch zurückgedrängt, dass durch die Haftpflichtversicherung des Schädigers die Ansprüche auf Schmerzensgeld des Geschädigten gedeckt sind. Vor allem bei vorsätzlichen Rechtsverletzungen hält der BGH an der Genugtuungsfunktion fest.
Nach Ansicht der Rechtsprechung kommt dem Schmerzensgeldanspruch aber keine Präventionsfunktion zu, wie der BGH in BGHZ 128, 117 ff. ausgeführt hat.
Im zu entscheidenden Fall waren zwei Bankräuber zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden und im anschließenden Zivilprozess auf Zahlung von Schmerzensgeld in Anspruch genommen worden. Die Klägerin, die bei dem Bankraub als Bankangestellte tätig war, wurde von den Schädigern mit einer Waffe bedroht und hat infolgedessen Todesängste ausgestanden. Der BGH lehnte die strafgerichtliche Verurteilung als einen Grund für eine Haftungsminderung ab, weil er den Schmerzensgeldanspruch als einheitlich ansieht.
III. Arten der Verletzung
Folgende Arten von Verletzungshandlungen führen regelmäßig zu einem Anspruch auf Schmerzensgeld.
1. Verletzung des Körpers und der Gesundheit
Die körperliche Unversehrtheit wird gegen jedwede unangemessene Einwirkung oder Behandlung geschützt, die zu einer nicht völlig unerheblichen Verletzung führt. Dies gilt auch für ein Hervorrufen oder Steigern eines, wenn auch nur vorübergehenden, pathologischen Zustands.
Eine Gesundheitsbeeinträchtigung setzt also nicht unbedingt eine unmittelbare körperliche Misshandlung voraus, sondern kann auch etwa durch Verabreichung von Gift, Ansteckung mit einer Geschlechtskrankheit oder als Unfallschock, eintreten. Wesensmerkmal der Körper- und Gesundheitsbeeinträchtigung ist damit der medizinische Nachweis einer Beeinträchtigung.
2. Freiheitsentziehung
Hierunter ist insbesondere die persönliche Fortbewegungsfreiheit gemeint, die durch das tatsächliche Einschließen, aber auch durch Drohung, Zwang oder Täuschung entzogen werden kann.
3. Sittlichkeitsdelikte
Zu einem Schmerzensgeldanspruch führen auch sämtliche Sittlichkeitsdelikte der §§ 174 ff. StGB, von der Vergewaltigung bis zur Verführung und nach §825BGB auch die durch Hinterlist, Drohung oder Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses vorgenommene Bestimmung oder Duldung sexueller Handlungen.
4. Verletzung des Persönlichkeitsrechts, §823 Abs. 1BGB, Art. 1 und 2 GG
Grundsätzlich gewährt §253 Abs. 2BGB in unmittelbarer Anwendung lediglich die Entschädigung für körperliche Beeinträchtigungen im weiten Sinne. Im Falle der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hat die Rechtsprechung einen Anspruch auf Ersatz des immateriellen Schadens gewährt.
Dieser setzt voraus, dass es sich um einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt und dass der Geschädigte durch die vorrangigen Ansprüche auf Unterlassung oder Widerruf oder auf presserechtliche Gegendarstellung keine ausreichende Genugtuung für die erlittenen Nachteile und Beeinträchtigungen erlangen kann.
Zu den in diesem Bereich zugesprochenen Schmerzensgeldbeträgen vertritt das BVerfG (VersR 2000, 897) die Auffassung, dass eine verfassungsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung nicht darin gesehen werden kann, dass die bei Persönlichkeitsverletzungen zugesprochenen Entschädigungen zum Teil deutlich höher sind als das für das Erleiden schwerwiegender psychischer und physischer Gesundheitsschäden zugesprochene Schmerzensgeld. Diese sei aus Präventionsgesichtspunkten gerechtfertigt.
5. Verletzung des Rechts am eigenen Bild §§22, 23KunstUrhG, §823 Abs. 1 BGB
Ein Verstoß gegen diese Normen stellt einen besonders geregelten Fall der Verletzung des Persönlichkeitsrechts dar. Insbesondere die Bildberichterstattung der Boulevardpresse war in zunehmendem Maße Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen und führte zur Zuerkennung nennenswerter Schmerzensgelder. Auch hier wird als Voraussetzung auf die Art und Schwere der Beeinträchtigungen, auf den Anlass und Beweggrund der Veröffentlichung sowie ihre Umstände und auf den Verschuldensgrad des Schädigers abgestellt. Ergibt sich eine schwere, nicht anders auszugleichende Verletzung des Persönlichkeitsrechts, so wird auf Schmerzensgeld erkannt.
6. Verletzung eines Urheberrechts, §97 Abs. 2UrhG
Auch diese Norm gewährt dem begrenzten Personenkreis der Urheber, Verfasser wissenschaftlicher Werke, Lichtbildner und ausübenden Künstler im Falle der widerrechtlichen, schuldhaften Beeinträchtigung urheber- bzw. persönlichkeitsrechtlicher Belange Genugtuung durch immateriellen Schadensersatz. Wie auch bei der Rechtsprechung zum Persönlichkeitsrecht orientiert sich die Höhe des Ersatzanspruchs an Art, Intensität und Dauer des Eingriffs.
IV. Bemessung
Das Bemessen des Schmerzensgeldes liegt im billigen Ermessen des Gerichts, §287 ZPO. Hierbei sind ebenfalls die Funktionen des Schmerzensgeldanspruchs zu berücksichtigen. Unter dem Aspekt der Ausgleichsfunktion kommt es daher zunächst auf das Maß der körperlichen Schmerzen und des psychischen Leids an, das dem Verletzten zugefügt worden ist.
Problematisch sind dabei Fälle, in denen der Verletzte durch den Unfall eine so erhebliche Hirnschädigung erlitten hat, dass seine Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit vollständig oder weitgehend zerstört ist, so dass er die Entbehrung der Lebensqualität nicht spürt. Früher gewährte der BGH Schmerzensgeld nur als Zeichen der Sühne (NJW 1976, 1147; 1982, 2123). Diese Rechtsprechung hat er inzwischen aufgegeben. Nach neuer Rechtsprechung ist die Schwere der erlittenen Beeinträchtigung unabhängig von den Empfindungen des Opfers (BGHZ 120, 1, 5 ff.). Dies gilt wiederum nicht, wenn die schädigende Handlung sofort den Tod herbeiführt (KG, NZV 1996, 455) oder der bis zum Tod verstrichene Zeitraum so kurz ist, dass die Körperverletzung keine abgrenzbare immaterielle Beeinträchtigung darstellt, die einen Ausgleich in Geld erforderlich macht (BGHZ 138, 388, 394). Problematisch ist die Festsetzung der Höhe des Ausgleichsbetrages bei seelischen Entbehrungen, da sich diese nicht in Geld bemessen lassen.
Da nach dem BGH auch die Genugtuungsfunktion des Schmerzensgeldes eine Rolle spielt, kommt es auch auf den Verschuldensgrad des Schädigers an. Ein Vorsatztäter schuldet daher ein höheres Schmerzensgeld als jemand, der wegen derselben Verletzung aus Gefährdungshaftung in Anspruch genommen wird. Die bloß leicht fahrlässig verursachte Schädigung gibt hingegen keinen Anlass dazu, über das unter Ausgleichsgesichtspunkten gebotene Maß hinauszugehen. Zu beachten ist, dass aber nicht jeder vorsätzliche Eingriff in fremde Rechtsgüter eine Erhöhung des Schmerzensgeldes unter dem Gesichtspunkt der Genugtuung zu rechtfertigen vermag, wie folgender Fall, der vom OLG Frankfurt (VersR 2001, 650, 651) behandelt wurde, aufzeigt:
Der Beklagte war der mehrfachen Aufforderung des Klägers, von seinem Grundstück herüber hängende Äste abzuschneiden, nicht nachgekommen, woraufhin dieser die Äste selbst absägte. Anschließend kam es zu einer körperlichen Auseinandersetzung der Parteien, wobei sie sich wechselseitig Platz- und Schürfwunden sowie Prellungen zufügten. Das OLG Frankfurt entschied, dass „keine der beiden Seiten irgendeine Genugtuung verdiene“.
Auch das Verhalten des Schädigers nach der Tat ist für die Bemessung des Schadens zu berücksichtigen, denn die Verbitterung und das seelische Leid des Verletzten werden noch gesteigert, wenn der Schädiger oder seine Versicherung ohne sachlichen Grund die Erfüllung der Ersatzpflicht hinauszögert, die Schadensregulierung künstlich behindert oder verzögert oder sich mit den, den Verletzten beleidigenden Argumenten verteidigt bzw. eine planmäßige Zermürbung des Geschädigten bezweckt.
Über die genannten Kriterien – Schwere der Verletzung, Verschuldensgrad auf Seiten des Schädigers und dessen anschließendes Verhalten – hinaus, berücksichtigt die Rechtsprechung weitere Umstände des Einzelfalls. So sind etwa ein etwaiges Mitverschulden des Verletzten, die Umstände der Tat und die finanzielle Situation der Beteiligten mit in die Schadensbemessung einzubeziehen. Je günstiger die Vermögensverhältnisse des Schädigers und je ungünstiger diejenigen des Opfers, desto höher soll das Schmerzensgeld ausfallen. Die praktische Auswirkung dieses Grundsatzes wird dadurch gemindert, dass der Haftpflichtversicherungsschutz des Schädigers für die Zwecke der Schmerzensgeldbemessung genauso behandelt wird wie liquides Vermögen (BGHZ 18, 149, 165 ff.).
Die Gerichtspraxis orientiert sich für die Höhe des festzusetzenden Schmerzensgeldes an sogenannten "Schmerzensgeldtabellen&", welche zahlreiche Gerichtsentscheidungen enthält, wobei jeweils Art und Schwere der Unfallverletzungen, oft auch Alter, Geschlecht und berufliche Stellung des Opfers zu dem von dem Gericht zuerkannten Schmerzensgeldbetrag in Beziehung gesetzt werden (vgl. bspw. Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 23. Auflage, 2005). Diese Tabellen bieten jedoch nur Anhaltspunkte. Die besonderen Umstände des Einzelfalles sind in die Bemessung mit einzubeziehen.
Schließlich wird von der Rechtsprechung eine Bagatellgrenze anerkannt, etwa bei leichten Hautabschürfungen (BGH, NJW 1993, 2172, 2175) oder Prellungen (OLG Celle, VersR 1980, 358, 359), die dann keinen Schmerzensgeldanspruch rechtfertigen.
V. Beispielsfälle
Selbst bei schwersten und bleibenden Gesundheitsverletzungen erkannte die Rechtsprechung lange Zeit Schmerzensgeldbeträge zu, die sich im untersten Bereich dessen, was in den westlichen Ländern üblich war, befanden. In den letzten Jahren hat sich auch in Deutschland ein Wandel vollzogen.
1. Verletzungen des Körpers und der Gesundheit
Für schwerste Verletzungen billigt die Rechtsprechung Beträge von bis zu 500.000 € zu, so etwa bei Schädigungen infolge von Behandlungsfehlern während des Geburtsvorgangs, die ein Leben mit schwersten Behinderungen zur Folge haben (OLG Hamm, NJW-RR 2002, 1604; OLG Naumburg, NJW-RR 2002, 672). Bei Erwachsenen wird selten ein Betrag in dieser Höhe erreicht. Das LG München I (VersR 2001, 1124) hat einem 48 Jährigen, der durch einen Verkehrsunfall schwerste Schädigungen wie Hirnschäden mit Sprachunfähigkeit, Teillähmung aller Gliedmaßen, Erblindung auf einem Auge, Urin- und Stuhlinkontinenz sowie über eine Magensonde ernährt werden musste, erlitten hat, ein Schmerzensgeld in Höhe von 500.000 € zugesprochen. Bei Querschnittslähmungen hat das OLG Hamm (VersR 2002, 1164) dem Geschädigten als Schmerzensgeld 250.000 € zugebilligt.
2. Freiheitsentziehung
Die Höhe der Entschädigung in den Fällen von Freiheitsentziehungen reicht von 50 € bis zu 250.000 €.
So hat das AG Regensburg einem Mann eine Entschädigung von 50 € zugesprochen, weil dieser ohne hinreichenden Anlass am Verlassen eines Geschäfts zum Zwecke der Aufklärung von Ladendiebstählen gehindert wurde (NJW-RR 1999, 1402).
Ein fehlerhaftes ärztliches Gutachten hat verursacht, dass ein 20-jähriger Mann für neun Jahre in eine psychiatrische Klinik untergebracht wurde. Wegen diesem grob fahrlässigem Verhalten beim Erstellen des Gutachtens und der Schwere der Beeinträchtigung hat das LG Marburg dem Geschädigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 250.000 € zugesprochen (VersR 1995, 1199).
3. Sittlichkeitsdelikte
Die Höhe des Schmerzensgeldes im Bereich der Sittlichkeitsdelikte liegt grundsätzlich zwischen 1.000 € und 50.000 €. In Ausnahmefällen wird auch eine monatlich zu zahlende Rente festgesetzt.
Das LG Marburg hat einem 16-jähriges Mädchen ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 € zuerkannt, das für einen Tag verschleppt und vergewaltigt wurde (v. 10.10.2001, 2 O 168/01).
Das LG Stuttgart hat einem 9-jährigen Jungen, der von seinem Stiefvater sechsmal missbraucht und vergewaltigt wurde, ein Schmerzensgeld von 50.000 € und eine monatlich zu zahlende Rente in Höhe von 75 € zugesprochen (v. 16.4.2003, 27 O 113/03).
4. Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Die Entschädigungszahlungen im Bereich der Persönlichkeitsrechtsverletzungen reichen von 2.500 € bis zu 90.000 €
So wurde einem Adeligen dafür, dass eine Zeitung dessen bevorstehenden Termin zur Abgabe der Offenbarungsversicherung publizierte, ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zuerkannt (OLG Bremen, MDR 1992, 1033).
90.000 € erhielt die Prinzessin Caroline von Monaco dafür, dass eine Illustrierte drei Berichte mit jeweils erfundenem Inhalt abdruckte (OLG Hamburg, NJW 1996, 2870).
5. Verletzung des Rechts am eigenen Bild
Das OLG Karlsruhe sprach der Klägerin dafür 7.500 € Schmerzensgeld zu, dass ein Verlag und ein Schönheitschirurg sie ohne Genehmigung bildhaft in einem Presseartikel über eine Brustvergrößerung dargestellt haben (NJW-RR 1994, 95).
6. Verletzung eines Urheberrechts
Die Höhe des Schmerzensgeldanspruchs ergibt sich bei solchen Verletzungen aus der Bedeutung und dem Umfang des Eingriffs, des künstlerischen Ranges des Klägers und des Werkes, der Art und Weise der Verletzung, der Intensität und Dauer der Verletzung, des Ausmaßes der Verbreitung, des Anlasses des Verletzungshandelns und des Verschuldens des Beklagten.
Das OLG München hat einem italienischen Komponisten, dessen Musik bei einer Fernsehsendung durch einen deutschen Fernsehsender teilweise gekürzt und teilweise durch einen anderen Komponisten ersetzt wurde, der Soundtrack jedoch die Musik der Orginalversion enthielt, einen immateriellen Schadensersatzanspruch von 20.000 € zugesprochen (NJW-RR 1998, 556).
C. Vereinigte Staaten von Amerika
Die Darstellung des amerikanischen Schmerzensgeldsystems erfolgt in ähnlicher Weise wie die des deutschen Systems. In die Regelungen wird durch die Darstellung der Grundlagen (I) eingeführt. Darauf folgt die Beschreibung der Funktionen (II), die das Schmerzensgeld erfüllen soll sowie eine Aufzählung der einzelnen Arten von Verletzungshandlungen (III), die zu einer Schadensersatzpflicht führen können. Anschließend werden die Bemessungsregelungen (IV) erläutert und anhand von einigen Beispielsfällen (V) veranschaulicht.
I. Grundlagen
Im 19. Jahrhundert begann die Rechtsprechung verstärkt, Schadensersatz für körperliche Schmerzen und verlorene Lebensfreude (Pain and Suffering) zu gewähren. Leitender Gedanke war hierbei der Ausgleich der erlittenen Schäden, nicht die Bestrafung des Schädigers.
Diese nahezu unbestrittene Rechtsprechung setzte sich auch im 20. Jahrhundert fort, mit der Folge, dass die Gerichte selten eine Zieldiskussion führten. Eine Ausnahme hierzu bildete jedoch die Auffassung des Judge Traynor in dem Rechtsstreit Seffert v. Los Angeles Transit Lines (56 Cal. 2d 498, 364 P.2d 337, 345 [1961]). Die Klägerin hatte sich verletzt, als sie versuchte, in einen Bus der beklagten Busgesellschaft einzusteigen. Die erste Instanz verurteilte die Beklagte Schadensersatz für die erlittenen Körperverletzungen zu zahlen. Dieses Urteil wurde durch das Gericht der zweiten Instanz bestätigt. Zwar war auch Judge Traynor mit der Zahlung von Schmerzensgeld grundsätzlich einverstanden, weil "dieser Staat schon lange Schmerzensgeld als Teil des Schadensersatzes im Fall fahrlässiger Delikte anerkennt; jede Änderung in dieser Hinsicht kann nur durch den Gesetzgeber erfolgen". Allerdings meinte Traynor über die Funktion von Schmerzensgeld bei Fahrlässigkeitsdelikten, dass ein Schädiger, der Anbieter von Waren oder Dienstleistungen ist, seine Schadensersatzzahlungen auf die Preise aufschlagen würde, so dass die Kunden die Kosten des Schadensausgleichs tragen werden. Er kommt folglich zu dem Ergebnis, dass das Schmerzensgeld dazu dient, dem Verletzten über seine Unannehmlichkeiten hinwegzuhelfen und das Honorar des klägerischen Rechtsanwalts zu begleichen, wofür Kläger ansonsten keinen Ausgleich erhalten würden.
In der Wissenschaft wurden u.a. zwei Ansichten vertreten. Ab dem Jahre 1934 wurde das vierbändige „Restatement of Law“ herausgegeben. In seinem vierten Band wurde bezüglich eines Schmerzensgeldanspruchs vertreten: „The law cannot even attempt to restore the injured person to his previous position…and sum of money is not the equivalent of peace of mind. Nevertheless, damages given for pain and humiliation are compensatory in that they give to the injured person some pecuniary return for what he has suffered or is likely to suffer. There is no scale by which the detriment caused by suffering can be measured and hence there can be only a very rough correspondence between the amount awarded as damages and the extent of the suffering.” Die Hauptfunktion des Schmerzensgeldes wurde im Ausgleich der erlittenen Schäden gesehen.
Als Grundlage einer weiteren Auffassung diente die Beobachtung, dass sich das Schadensrecht vom Verschuldensprinzip weg und hin zu einer Art Versicherung bewegt mit dem Ziel, für Verletzungen und Leiden durchgängig Schadensersatz zu gewähren. Diese Entwicklung warf die Frage auf, ob ein Kläger auch dann entschädigt werden soll, wenn kein Vermögensverlust vorliegt. Eine quasi Zurückversetzung in eine Position, die ohne das Erleiden des Schadens bestanden hätte, sei nicht möglich. Das Schmerzensgeld sei vielmehr als eine Art Trost anzusehen. Zudem könne das Opfer eine fortdauernde Empörung empfinden, welche durch Zahlung beseitigt werden könne. Geld habe einen so hohen Stellenwert in der Gesellschaft und kann daher als Mittel dienen, sowohl Vermögens- als auch Nichtvermögensschäden auszugleichen. Auch heute noch wird heftig um die Funktion des Schmerzensgeldes gestritten. Als Schlagwörter dienen Ausgleich, ausgleichende Gerechtigkeit, Versicherung und Prävention oder Abschreckung.
II. Funktion
1. Traditioneller Ansatz
Leitender Gedanke der traditionellen Auffassung war lange Zeit der Ausgleich für erlittene Schäden. Neben dieser Ausgleichsfunktion wird von einem Teil der Vertreter dieser Lehre auch eine Präventionsfunktion im Schmerzensgeld gesehen.
a) ausgleichende Funktion
Vorrangiges Ziel des Schadensrechts sei der Ausgleich des erlittenen Schadens. Problematisch wird diese Ansicht bei immateriellen Schäden. Schmerzen lassen sich nicht in Geld ausdrücken. Das oberste Gericht in Kalifornien erklärte hierzu: Es sei oberflächlich zu sagen, die Kläger wären für ihren Verlust entschädigt worden; in Wahrheit haben sie einen Verlust erlitten, der niemals ausgeglichen werden kann (Borer v. American Airlines, 19 Cal 3d 441, 447, 563 P.2d 858, 862, 138 Cal.Rptr. 302, 306 (1977).“ Auch das oberste New Yorker Gericht urteilte in vergleichbarer Hinsicht in einem Fall eines dauerhaft bewusstlosen Opfers und führte hierzu aus, dass „Geld niemals den Schmerz erleichtern oder alle Fähigkeiten des Opfers wieder herstellen kann“ und die Entschädigung für Schmerzen „auf der rechtlichen Fiktion beruht, dass Geld die Verletzungen des Opfers ausgleichen kann (Howard v. Lecher, 42 N.Y.2d 109, 111, 397 N.Y.S.2d, 363, 366 N.E.2d 64 (1977); McDougald v. Garber, 73 N.Y.2d 246, 254, 538 N.Y.S.2d 937, 939 (1989)“. Daher entwickelten Rechtsprechung und Wissenschaft andere Ansatzpunkte, die Ausgleichsfunktion zu rechtfertigen. Einige Gerichte folgten einem objektiven Ansatz (Holsten v. Sisters of the Third Order of St. Francis, 247 Ill. App. 3d 985, 618 N.E.2d 334, 347 [1993]). Die herrschende Meinung wählte einen subjektiven Ansatz und fragt nach dem Nutzen der Entschädigung in Geld für das Opfer. So werden v.a. drei Ansätze vertreten. Die Zahlung von Schmerzensgeld erfolge, um Freude dem Opfer zu bereiten, um Trost zu spenden oder um die Empörung zu erleichtern. Auch diese Ansätze können jedoch den Ausgleichsgedanken nicht erklären. Denn Schmerzen sind nicht mit Geld vergleichbar. Auch mit Freude, Trost oder erleichterter Empörung lassen sie sich nicht vergleichen. Dies wird besonders deutlich, wenn das Opfer keine Freude erwerben kann, das Geld keinen Trost spenden kann oder die Geldzahlung die Empörung nicht erleichtert, wie beispielsweise bei einer Verletzung, die zum Verlust der Geistestätigkeit führt.
b) Prävention
Neben dem Ausgleichsgedanken wird von der traditionellen Ansicht auch eine präventive Funktion etwa in Form von Abschreckung durch Zahlung eines Schmerzensgeldes angenommen. Sie ist jedoch nur als Anhängsel des Ausgleichsgedankens zu verstehen. Sie allein kann einen Schadensersatzanspruch nicht rechtfertigen. Dies wird in der Entscheidung McDougald v. Garber (s.o.) deutlich. Die Klägerin erlitt schwerste Gehirnschäden und verfiel in eine dauernde Bewusstlosigkeit. Das Gericht erklärte, die Auferlegung eines Schadensersatzes bezwecke Ausgleich und nicht Bestrafung. Gleichzeitig diene jede Schadensersatzzahlung auch der Abschreckung. Wenn aber der Schadensersatz, wie im vorliegenden Fall, keine Ausgleichsfunktion mehr erfüllen könne, weil Geld für das Opfer bedeutungslos sei, dann könne kein Schadensersatz zugesprochen werden. Denn er diene dann nur noch der Bestrafung, was aber eben keine Funktion des Kompensationsschadens sei (beachte jedoch den Dissens von Judge Hall in Flannery v. United States, 718 F.2d 108, 111 [4th Cir. 1983], nach dessen Ansicht die traditionelle Auffassung des Kompensationsschadens sowohl der Abschreckung als auch dem Ausgleich diene. Das Recht dürfe im Rahmen des gewöhnlichen Schadensersatzes mehr als den bloßen Vermögensverlust ersetzen; es dürfe etwas zur Abschreckung zusprechen, ohne dass dies schon als Punitive Damages anzusehen sei).
Richtig ist zwar, dass es im Tort-Law der USA allein Aufgabe des Punitive Damage ist, den Täter zu bestrafen, eine neuere Entscheidung des US Supreme Court lässt aber den Schluss zu, dass dem amerikanischen Schmerzensgeld möglicherweise doch zumindest ein pönales Element innewohnt (State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 123 S.Ct. 1513, 1525 [2003]: Der Supreme Court äußerte sich zum Kompensationsschaden für seelische Schmerzen und führte aus, Ziel eines solchen Schadensersatzes sei nicht nur der Ausgleich von Schäden, sondern er enthalte bereits ein bestrafendes Element; vgl. auch BMW of North America v. Gore, 517 U.S. 559 [1996]).
2. Ausgleichende Gerechtigkeit (Corrective Justice)
Der gemeinsame Grundgedanke des Corrective Justice verlangt, das der Täter seine unerlaubte Handlung berichtigt. Er ist verpflichtet, das Opfer zu entschädigen, um das moralische Gleichgewicht zwischen ihnen wieder herzustellen. Die Kernkonzepte sind Recht und Unrecht. Ein Schadensersatzprozess ist der Versuch, Gerechtigkeit herbeizuführen, indem über die Rechte und Pflichten der Parteien entschieden wird. Daher sehen diese Vertreter den Gedanken des Corrective Justice darin, vergangenes Unrecht zu berichtigen, nicht hingegen primär präventiv zu wirken. Dies sei jedoch ein Nebenprodukt des Deliktsrechts, da die Folge der Schmerzensgeldzahlung zwar für den Betroffenen bedeutet, vergangenes Unrecht zu beseitigen, es aber gleichzeitig für Dritte bedeutet, vorsichtig zu sein, da sie sonst im Schadensfall ebenfalls leisten müssten. Daneben werden als Abwandlung dieser Ansicht Gedanken der Wiedergutmachung, Glückseligkeit und des nominellen Schadensersatzes vertreten. Problematisch an diesen Ansichten ist jedoch, dass sie zum einen im Unklaren lassen, wann etwa der Punkt der Wiedergutmachung erreicht ist, die Bewertung von gleichen Sachverhalten zu ungleichen Schmerzensgeldzahlungen führen kann bzw. der nominelle Schadensersatz lediglich die Zahlung eines symbolischen Schadensersatzes darstellt.
3. Rechtsökonomische Ansichten
Diese Ansicht versucht, das rechtliche Verhalten von Personen zu untersuchen und vorherzusagen. Sie bezweckt zudem, das Recht zu verbessern, indem sie Empfehlungen ausspricht für Bereiche, in denen geltende oder geplante Rechtsregeln unbeabsichtigt oder unerwünschte Folgen haben, sei es bezogen auf ökonomische Effizienz, die Verteilung von Einkommen und Vermögen oder andere Werte. Zwei ökonomische Ansichten lassen sich unterscheiden. Die erste betont die Abschreckungsfunktion des Deliktsrechts. Im Gegensatz dazu hebt die Versicherungstheorie hervor, dass ein Opfer nur dann entschädigt werden soll, wenn eine rationale Person sich gegen den eingetretenen Verlust versichert hätte.
Gegen diese Ansichten spricht, dass Prävention nicht die einzige Funktion des Deliktsrechts sein sollte. Ein System, das dermaßen zukunftsorientiert ausgerichtet ist, vernachlässigt die Hauptfunktion des Deliktsrechts, herauszufinden, ob der Handelnde verantwortlich ist und daraufhin die angemessene Entschädigung zu bestimmen. Richtig an dieser Ansicht ist, dass Gerichtsentscheidungen dazu beitragen, zukünftiges Verhalten zu beeinflussen und damit in einem gewissem Maße ebenfalls präventiv wirken. Studien haben zudem ergeben, dass das umfassende Abschreckungsmodell der Rechtsökonomen die Realität verfehlt.
III. Arten der Verletzung
1. Battery und Assault
Battery ist jede vorsätzliche, körperliche Verletzung oder unangenehme Berührung. Darunter fallen ausgesprochene Gewalttaten ebenso wie bloße Beschmutzung oder ein aufgedrängter Kuss. Es genügt, dass der Vorsatz die Berührung deckt; auf die Belästigung oder den Schaden braucht er sich nicht zu erstrecken. Auch auf die dahinter stehende Motivation kommt es nicht an; weder ist Bösgläubigkeit erforderlich noch schließt Wohlwollen Battery aus. Deshalb erfüllen selbst ärztliche Heileingriffe den Tatbestand.
Als Folge dieser Definition können bereits viele alltägliche Berührungen als Tort gelten. Zwar ist die große Mehrzahl durch eine der Defenses (vor allem Consent) gedeckt, doch hat die Weite des Battery Begriffs wichtige Konsequenzen im Hinblick auf die Beweislast im Prozess. Da nahezu bei jeder Berührung bereits der Tatbestand der Battery erfüllt ist, kommt es auf das Vorliegen eines Verteidigungsarguments an, für welches der Beklagte in fast allen entscheidenden Fragen die Beweislast trägt. Aufgrund dieser Regelung wird der Schutz der körperlichen Integrität sehr umfassend gewährleistet.
Assault heißt eigentlich Angriff, liegt aber schon vor, wenn jemand einen anderen vorsätzlich mit einer unmittelbar bevorstehenden Battery bedroht, etwa eine Pistole vorhält.
Hat der Geschädigte den Schädiger zuvor provoziert, so kann der Strafschadensersatz entsprechend seiner Schuld gemindert werden, vgl. Baltimore Transit Co. v. Faulkner, 179 Md. 598, 20 A.2d 485 [1941].
2. False Imprisonment und Arrest
False Imprisonment liegt vor, wenn das Opfer nicht nach Belieben seinen Aufenthaltsort verlassen kann, etwa wenn ein Kaufhausdetektiv dem Verdächtigen den einzigen Ausweg blockiert. Es darf keine Möglichkeit mehr des Entweichens für das Opfer bestehen.
Besteht die Freiheitsberaubung in der Festnahme aufgrund wirklicher oder vermeintlicher Rechtsbefugnis, so spricht man von False Arrest. Diese löst jedoch nur eine Schadensersatzpflicht aus, wenn sie ungerechtfertigt ist und keine Defense vorliegt. In vielen Staaten reicht der bloße Verdacht einer strafbaren Handlung aus.
Bei Vorliegen der Probable Cause ist eine Minderung des Schadens wegen Punitive Damages möglich, vgl. Great Atl. & Pac. Tea Co. v. Paul, 256 Md. 643, 261 A.2d 731 [1970]; Clark's Brooklyn Park, Inc. v. Hranicka, 246 Md. 178, 227 A.2d 726 [1967]
3. Defamation
Defamation ist eine beleidigende oder rufschädigende Äußerung gegenüber einem Dritten oder in der Öffentlichkeit; Äußerungen nur dem Beleidigenden gegenüber fallen nicht darunter. Es gilt zu unterscheiden, ob die Beleidigung schriftlich begangen wurde (Libel), oder ob sie nur mündlich ausgesprochen wurde (Slander). Aufgrund des immer umfangreicheren und wichtiger werdenden Internets haben Klagen wegen Defamation neue Aktualität gewonnen, doch liegen die Probleme dabei weniger im Bereich des Tort-Law selbst als bei Fragen der Zuständigkeit und des Kollisionsrechts.
In aller Regel geht es um Tatsachenbehauptungen, wobei erforderlich ist, dass sie falsch sind. Die Äußerungen selbst müssen vorsätzlich oder fahrlässig sein. Nach Common Law brauchte allerdings kein Verschulden hinsichtlich ihrer Wahrheit vorzuliegen; insoweit war die Haftung strikt.
Sie ist aber seit jeher durch umfangreiche Privileges, Rechtfertigungsgründe, ausgeschlossen. Zudem schränkt heute das Grundrecht der Pressefreiheit die Haftung stark ein, um die öffentliche Diskussion möglichst frei zu gestalten. So sind Meinungsäußerungen wesentlich umfassender geschützt als Tatsachenbehauptungen, und in Fällen öffentlichen Interesses trägt der Kläger die Beweislast für die Unwahrheit
der Behauptung. Eine wichtige Entscheidung traf der Supreme Court im Jahre
1964 in dem Rechtsstreit New
York Times v. Sullivan, 376 U.S. 254. Das Gericht führte aus, dass
Personen des öffentlichen Lebens bei Klagen gegen die Presse dieser Malice
nachweisen müssten, was allerdings nur vorsätzliche oder zumindest der
Wahrheit gegenüber gleichgültige Falschbehauptungen bedeutet. In späteren
Fällen entschied der Supreme Court, dass private Kläger ein grob
fahrlässiges Verhalten des Veröffentlichers nachweisen müssten. Das Recht
der Pressefreiheit schließt übrigens auch einen Anspruch auf
Veröffentlichung einer Gegendarstellung grundsätzlich aus.
Da diese Prozesse äußerst umfangreich waren, sollte 1991 mit dem
Uniform Defamation Act eine Reform eingeführt werden. Diese scheiterte
jedoch am allseitigen Desinteresse der Parteien. Neuere Bestrebungen einer
Reform spiegeln sich im Uniform Correction or Clarification of Defamation
Act wieder. Dieser soll zu einer Verringerung der Prozesskosten führen und
die Prozessdauer verkürzen. Zudem soll eine Widerrufsmöglichkeit dem
Veröffentlicher innerhalb von 45 Tagen eingeräumt werden, die unter
Umständen das Rechtschutzbedürfnis des Klägers auf eine
Schmerzensgeldklage beseitigt.
4. Invasion of Privacy
Eine neuere Entwicklung ist die Haftung wegen Invasion of Privacy, die
etwa der Verletzung des Persönlichkeitsrechts entspricht. Man geht
mittlerweile von vier Hauptfallgruppen aus: a) Eindringen in die räumliche
oder sonstige Privatsphäre eines andern in grob anstößiger Weise (etwa
durch Abhören des Telefons); b) unbefugte Benutzung eines fremden Namens
oder Bildes zu eigenen Zwecken, die nicht unbedingt kommerziell sein
müssen; c) öffentliches Verbreiten von (wahren) Tatsachen aus der
Privatsphäre eines anderen; d) Veröffentlichungen, die einen anderen in
einem falschen Licht erscheinen lassen.
Vor allem bei den letzten beiden Fallgruppen gibt es jedoch wiederum
weitreichende Privileges. So sind auch hier, wie bei den Defamation,
Veröffentlichungen durch Presse, Rundfunk und Fernsehen in weitem Umfang
verfassungsrechtlich geschützt. Dieser Schutz geht so weit, dass
jedenfalls Personen des öffentlichen Lebens den Machenschaften der Medien
weitgehend wehrlos ausgesetzt sind.
5. Malicious Prosecution und Abuse of Process
Wer einen anderen wissentlich ohne vernünftigen Grund mit einer Straf-
oder Zivilklage überzieht, missbraucht diese Mittel und handelt
deliktisch. Er bringt nämlich das Opfer in die Gefahr von Sanktionen oder
jedenfalls in Misskredit. Grundlose Klagen sind in den USA deshalb
besonders schädlich, weil es in der Regel keine Kostenerstattungspflicht
gibt – d.h. auch der Gewinner trägt seine Kosten grundsätzlich selbst.
Hier kann eine Klage wegen Malicious Prosecution oder Abuse of Process
helfen, die Verteidigungskosten als deliktischen Schaden zu liquidieren.
Das wird jedoch seltener versucht, als man annehmen sollte, denn die
Anforderungen sind hoch, um Klagen nicht unnötig riskant zu machen. Ein
Tort liegt nur vor, wenn der Kläger wirklich ohne jeden nachvollziehbaren
Grund und in böswilliger Absicht vor Gericht gezogen ist. Folgende
Voraussetzungen haben für eine gerechtfertigte Klage vorzuliegen: a)
die vorherige Klage wurde von dem Beklagten geführt und bezweckte die
Vernichtung des rechtlichen Vorteils des Zivilklägers; b) die Klage wurde
ohne nachvollziehbaren Grund erhoben; c) die Klage wurde eingeleitet mit
Malice.
6. Infliction of Emotional (or Mental) Distress
Die Zufügung psychischer oder emotionaler Leiden ist heute als eigenes
Delikt anerkannt, wenn sie vorsätzlich ist. Dabei geht es nicht um Fälle,
in denen solche Leiden Folge anderer Verletzungshandlungen wie etwa
Battery, Assault oder False Imprisonment sind, denn dort gelten sie
einfach als normalerweise ersetzbarer Teil des verursachten Schadens.
Vielmehr handelt es sich um Situationen, in denen Emotional Distress
allein und unmittelbar verursacht wird, z.B. durch schwere Beleidigungen
oder falsche Hiobsbotschaften.
Da nicht schon jedes ungehörige Betragen schadensersatzpflichtig machen
darf, stellt sich das Problem der Eingrenzung. Sie erfolgt auf dreifache
Weise. Auf der Seite des Täters verlangt man extrem grobes, empörendes
Verhalten, so dass bloße Belästigungen oder Beschimpfungen nicht
ausreichen. Dies gilt wiederum nicht gegen öffentliche Einrichtungen und
allgemeine Verkehrsunternehmen wie Flug- oder Bahngesellschaften. Hier ist
ein schärferer Maßstab anzulegen.
Auf der Opferseite ist eine schwere Beeinträchtigung der Psyche oder
Gefühle erforderlich; bloßen Ärger muss man hinnehmen. Schließlich haftet
der Täter nicht für außergewöhnliche Reaktionen beim Opfer, es sei denn,
er weiß von dessen besonderer Sensibilität. Manche Staaten verlangen zudem
irgendeine körperliche Reaktion beim Opfer wie Schlaflosigkeit oder Schweißausbrüche.
IV. Bemessung
1. Allgemeines
Nach allgemeiner Ansicht soll der Schadensausgleich gerecht und angemessen (Fair and Reasonable) sein (Botta v. Brunner, 26 N.J. 82, 138 A.2d 713, 718 [1958]). Ursprünglich stimmte die Rechtsprechung darin überein, dass genauere Anweisungen an die Jury nicht möglich seien , vgl. The Little Silver, 189 F. 980, 986 [D.N.J. 1911].
Später entwickelten die Gerichte erste grobe Muster, die bei der Berechnung von der Jury zu berücksichtigen seien. So dürfe die Jury die Schmerzensgeldhöhe nicht nur durch Mutmaßungen oder Rätselraten bestimmen. Vielmehr müsse sie alle bekannten Tatsachen berücksichtigen, wie etwa „die Länge des Leidens, die Art der Verletzung, das Alter, die Gesundheit, die Gewohnheiten und Betätigungen der verletzten Partei (Coppinger v. Broderick, 37 Ariz. 473, 295 Pac. 780 [1931]). Des Weiteren sei zu beachten, ob der Kläger Beruhigungsmittel oder andere Medikamente benutze, um seine Schmerzen zu lindern, und ob die Tat bestehende körperliche Leiden verschlimmert habe (Helleckson v. Loiselle, 37 Wis. 2d 423, 155 N. W.2d 45, 50 [1967]). Das Geschlecht und der Familienstand des Klägers sind weitere Faktoren (MA v. Russell, 430 P.2d 518, 520 [1967]).
Von Anwälten der Kläger wurde das Fehlen fester Bemessungsstandards als unbefriedigend angesehen, so dass sie ihre Verfahrenstechniken verbesserten. Ziel war es, der Jury bestimmte Maßeinheiten für die Bemessung des Schmerzensgeldes an die Hand zu geben. Das bekannteste Ergebnis ist das so genannte Unit-of-Time oder Per-diem-Argument, ein anderes das Golden-Rule-Argument. Die Per-diem-Methode soll bei der Bestimmung der Schmerzensgeldhöhe durch die Jury helfen, indem sie die Gesamtzahl von Zeiteinheiten, während derer der Kläger verletzt war und noch sein wird, mit dem für eine Zeiteinheit bestimmten Schmerzensgeld (bspw. $ 10 pro Tag) malnimmt (Graeff v. Baptist Temple of Springfield, 576 S.W.2d 291 [Mo. 1978]). Bis heute mussten zahlreiche Gerichte über die Rechtmäßigkeit dieser Methode befinden. Einige Richter bejahten, andere verneinten sie. Die berühmteste ablehnende Entscheidung ist Botta v. Brunner (aaO), entschieden durch den Supreme Court von New Jersey:
"For hundreds of years, the measure of damages for pain and suffering following in the wake of personal injury has been ‚fair and reasonable’. This general standard was adopted because of universal acknowledgment that more specific or definitve one is impossible. There is and there can be no fixed basis, standard, or mathematical rule which will serve as an accurate index and guide to the establishment of damage awards for personal injuries. And it is equally plain that there is no measure by which the amount of pain and suffering endured by a particular human can be calculated...The impossibility of recognizing or of isolating fixed levels or plateaus of suffering must be conceded."
Des Weiteren wurde von Anwälten das bereits erwähnte Golden-Rule-Argument angewandt. Hiernach fragten die Anwälte die Jury, was diese verlangen würde, wenn sie den Schmerz des Klägers durchleben müssten , vgl. International & G.N.R. Co. v. Morin, 53 Tex. Civ. App. 531, 116 S.W. 656 [1909]. Die Gerichte haben diese Technik allerdings im Allgemeinen als schädlich und untauglich bewertet. Die Gründe sind in der Entscheidung F.W. Woolworth Co. v. Wilson (74 F.2d 439, 442-443 [5th Cir. 1934]) genannt:
"The appeal to the jury to put themselves in plaintiff’s place was improper. One doing that would be no fairer judge of the case than would the plaintiff herself...Sympathy for suffering and indignation at wrong are worthy sentiments, but they are not safe visitors in the courtroom, for they may blind the eyes of Justice. The may not enter ther jury box, nor be heard on the witness stand, nor speak to loudly through the voice of counsel. In judical inquiry the cold clear truth is to be sought and dispassionately analyzed under the colorless lenses of law."
2. Schadensarten
a) Nominal Damages
Hat der Verletzte nach einer unerlaubten Handlung keinen tatsächlichen Schaden erlitten oder kann diesen nicht nachweisen, so wird ihm eine kleine Geldsumme zugesprochen. Diese hat rein symbolischen Charakter und trägt der Verletzung seiner Interessen Rechnung. Nominal Damages können nur verlangt werden, wenn eine Ersatzpflicht unabhängig vom Nachweis tatsächlicher Schäden eintritt.
b) Compensatory Damages
Diese sollen den tatsächlich erlittenen Schaden ausgleichen. Hierbei sind Special Damagesund General Damages zu unterscheiden. General Damages sind Schäden, die eine natürliche und notwendige Folge der unerlaubten Handlung sind. Sie müssen nicht benannt und bewiesen werden, sondern werden vermutet. Erfasst werden hiervon vor allem immaterielle Schäden, Non-pecuniary Loss, so Beeinträchtigungen der Lebensqualität wie Pain and Suffering, Cosmetic Deformity, Inconvenience oder Loss of Enjoyment of Life. Die Festsetzung obliegt der Jury.
c) Punitive Damages
Die Voraussetzungen, unter denen Punitives Damages verlangt werden können, divergieren zwischen den einzelnen Bundesstaaten. Da ihre Hauptaufgabe in der Bestrafung und Abschreckung liegt, besteht Einigkeit darüber, dass einfache Fahrlässigkeit nicht ausreichend ist. Manche Staaten verlangen Recklessness beziehungsweise Wanton and Wilful Misconduct, andere darüber hinaus Malice, und wieder andere nur grobe Fahrlässigkeit. Zunächst entscheidet der Richter, ob die Voraussetzungen vorliegen. Bejaht er diese, so entscheidet die Jury, ob und in welcher Höhe die Punitive Damages zuzuerkennen sind.
In den letzten Jahren hat der Supreme Court die Höhe der Punitive Damages eingeschränkt. In zwei Fällen sah er die Verhängung des Strafschadensersatzes in vielfacher Höhe als so überzogen an, dass er die Due Process Clause des 14. Zusatzartikels als verletzt betrachtete (vgl.: BMW of North America v. Gore, 517 U.S. 559 [1996];Cooper Industries, Inc. v. Leatherman Tool Group, Inc.; State Farm Mutual Automobile Insurance Co. v. Campbell, 123 S.Ct. 1513 [2003]). Allerdings bedeuten diese Entscheidungen keine generelle Begrenzung der Höhe des Punitive Damages. Jedoch führte das Gericht aus, dass eine mehr als zehnmal so hohe Strafschadensersatzzahlung im Vergleich zum wirklich erlittenen Schaden, nur selten gerechtfertigt sei.
d) Begrenzung der Schadenshöhe
Zu beachten ist schließlich noch das Remittitur, d.h. dass der Richter in Fällen, in denen die Schadensersatzsumme eindeutig zu hoch ist, in den meisten Staaten die Befugnis hat, die Summe herabzusetzen. Zudem haben viele Staaten in jüngerer Zeit vor allem für die Arzthaftung gesetzliche Höchstsummen (Caps) festgesetzt.
V. Beispiele
1. Battery und Assault
In dem Fall Christa Johnson v. David Pankratz (196 Ariz. 621, 2 P.3d 1266, 320) verhandelte das Berufungsgericht von Arizone des 1. Bezirks u.a. über eine Schadensersatzklage wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs.
Um bei einer Klage wegen Battery Punitive Damages zu erhalten, müsse die Geschädigte beweisen, dass der Schädiger vorsätzlich einen Harmful or Offensive Contact, d.h. eine entwürdigende oder aggressive Berührung begangen hat (Restatement (Second) of Torts § 13 (1965). Weiterhin führte das Berufungsgericht aus, dass die Klägerin keine Schadenshöhe beziffern müsse, da dies meist nur schwer bzw. gar nicht möglich sei. Es müssen keine körperlichen Schäden vorhanden sein, um den Schadensersatz zu begründen. Die Verletzungshandlung impliziere eine deutlich schlechte Gesinnung des Schädigers, so dass auch Strafschadensersatz (Punitive Damages) gerechtfertigt sei. Die Höhe der Compensatory Damages liege in solchen Fällen bei etwa $ 2.000 und des Punitive Damages bei $ 20.000 führte das Gericht aus. Zur entgültigen Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes wurde der Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen.
2. False Imprisonment und Arrest
In dem Rechtsstreit D.C. Transit System, Inc., v. Arthur Lee Brooks hatte das Berufungsgericht von Maryland (264 Md. 578, 287 A.2d 251 [1972]) über eine Schadensersatzforderung wegen False Imprisonment zu entscheiden. Brooks bestieg einen Bus der beklagten Nahverkehrssystems. Zwischen dem Busfahrer und Brooks entstand ein Disput über die Höhe der Fahrgebühr. Da Brooks nicht bereit war eine erhöhte Fahrgebühr (15 Cent mehr), die der Busfahrer verlangte, zu zahlen, nahmen der Busfahrer und ein weiterer Angestellter der D.C., der sich im Bus befand, Brooks fest, wobei sie ihn nach dessen Aussage auch körperlich misshandelten. Beide Arme festhaltend brachten sie ihn ins Polizeirevier. Vor Ablieferung an die Polzei schoben sie Brooks noch ein Messer unter und behaupteten dann, dass er ein Messer beim Streit im Bus gezogen hätte. Schließlich kam ein Supervisor der D.C. zum Polizeirevier und sagte, dass Brooks Recht hatte mit der Höhe der Fahrgebühr. Zudem sei es bei D.C. nicht üblich, dass bei Streitigkeiten über die Fahrgebühr der Fahrgast zur Polzei gebracht werde. Daraufhin verklagte Brooks den Busfahrer und D.C. auf Compensatory und Punitive Damages. Die Jury verurteilte beide gemeinsam zur Zahlung von $750 als Compensatory Damages sowie den Busfahrer zur Zahlung von $500 Punitive Damages und die D.C. zur Zahlung von $10.000 Punitive Damages an Brooks.
3. Defamation
Ein Beispiel für einen Defamation-Prozess ist der Rechtsstreit zwischen Levinsky’s, Inc. v. Wal Mart Stores, Inc., Az. 97-1329, United Court of Appeals for the First Circuit. Levinsky ist eine familiäre alt eingesessene Kaufhauskette in Maine. Wal Mart ist die größte Kaufhauskette der USA. Diese eröffnete ein Kaufhaus in Maine. Daraufhin startete Levinsky eine aggressive Werbekampagne in Form von Radiospots gegen Wal Mart. Ein Reporter interviewte daher den zuständigen Wal-Mart-Manager, der behauptete, dass das Warenangebot von Levinsky schlecht wäre und man bei Reklamationen hingehalten werde. Dieses Interview wurde veröffentlicht. Levinsky verklagte Wal-Mart daraufhin auf $40 Mio. Schmerzensgeld zum Ausgleich für den erlittenen Schaden und zudem auf 2% des Unternehmenswertes als Punitiv Damages. Die Jury entschied, dass Levinsky nicht defamiert wurde, sprach ihr aber $600.000 als Wiedergutmachung zu. Das Gericht führte unter anderem aus, dass das Urteil nicht gegen den ersten Zusatzartikel zur Bundesverfassung verstoße, da beide Behauptungen des Wal Mart Managers keine Tatsachen, sondern Meinungen wieder spiegeln und somit nicht geschützt wären. Das Berufungsgericht führte hierzu aus, dass die Aussage, Levinsky führe nur schlechte Ware, keinen klagbaren Anspruch begründe. Lediglich die Aussage, dass man 20 Minuten warten müsse, stelle eine Defamation dar. Problematisch wäre hier allerdings, dass ein Wiedergutmachungsschadensersatz nur dann gezahlt werden darf, wenn der Schädiger bewusst falsche Aussagen getroffen hat.
4. Invasion of Privacy
In dem Rechtsstreit Cantrell v. Forest City Publishing, Inc., hatte der Supreme Court über eine Klage wegen Invasion of Privacy zu entscheiden (419 US 245 [1974]). Ein Zeitungsreporter hatte einen Bericht ohne Einverständnis über die Familie veröffentlicht, wie es ihr nach dem Tod des Familienvaters, der durch den Einsturz einer Brücke verunglückt war, ergangen ist. Er unterstellte der Familie Aussagen und dokumentierte ihre Armut durch Fotos von ihrem Zuhause. Dabei stellte er die Familie als verwahrlost und verarmt dar. Der Supreme Court entschied, dass dadurch, dass der Reporter bewusst falsch berichtet hat, der Kläger eine bewusste Falschberichterstattung, also böswillig mit Malice, nicht mehr nachweisen muss (vgl. hierzu auch den Fall Time, Inc. v. Hill).
5. Malicious Prosecution und Abuse of Process
Vanzandt führte eine Klage gegen Daimler Chrysler. Einen früheren Prozess hatte Daimler gegen Vanzandt wegen Warenzeichenverletzung geführt. Das Gericht bewilligte die Klage von Daimler. Das Berufungsgericht wies jedoch die Klage zurück. Daraufhin erhob Vanzandt eine Klage gegen Daimler wegen Malicious Prosecution. Das Gericht lehnte dies jedoch ab. Auch das Berufungsgericht wies die Klage zurück, da Daimler damals keinen komplett abwegigen ungerechtfertigten Rechtsstreit gegen Vanzandt erhoben hat und auch keine kriminelle Verfolgung vorgelegen hat.
6. Infliction of Emotional (or Mental) Distress
Ein Verstoß gegen Emotional and Mental Suffering verursacht grundsätzlich eine Vielzahl an Schäden. In Michael Antonio Patterson v. William Balsamico, No. 05-0888-cv, hat das Bundesberufungsbericht des zweiten Bezirks über eine Schadensersatzklage wegen Diskriminierung auf Emotional Distress entschieden. Beide Beteiligte waren Polizisten. Der Geschädigte wurde von seinem Vorgesetzten (Schädiger) mehrmals diskriminiert. Diesbezüglich wurde Balsamico auch schuldig gesprochen. Als Schadensausgleich (Compensatory Damages) sprach die Jury dem Geschädigten $ 100.000 zu. Fraglich war allein der Anspruch von Patterson bezüglich eines Strafschadensersatzanspruchs. Der District Court hatte Patterson einen Strafschadensersatzanspruch von $ 20.000 zugebilligt. Für die Bestimmung der Höhe dieses Anspruchs stellte der Supreme Court drei Maßstäbe auf: a) die Schwere des deliktischen Verhaltens b) das Verhältnis zwischen Punitive und Compensatory Damages c) das In Bezug setzen der schädigenden Handlung mit anderen vergleichbaren Fällen. Diese Vorgaben wurden alle nicht verletzt bei der Bestimmung der Höhe des Strafschadensersatzanspruchs. Jedoch ist neben diesen Maßgaben auch noch die persönliche finanzielle Situation des Schädigers zu berücksichtigen. Auch ein extrem auffallend bösartiges Verhalten rechtfertige keine Schadenersatzzahlung die den Schädiger in den Ruin treibt. Daher sei die Höhe des Strafschadensersatzes exzessiv. $ 10.000 seien bei seiner finanziellen Situation angemessen, urteilte das Gericht.
D. Gegenüberstellung beider Systeme
In Amerika spielt das Deliktsrecht eine wesentlich wichtigere Rolle als in Deutschland. So sind beispielsweise Unfallfolgen meist nicht durch Versicherungs- und Sozialleistungen gedeckt. Zu seinem Schutz ist der Verletzte daher weit stärker auf den privaten Schadensersatz angewiesen. Diese umfassendere Beschäftigung mit den Zielen des Deliktsrechts zeigt sich auch dadurch, dass sich seit den siebziger Jahren zwei neue Auffassungen zur Funktion des Deliktsrechts gebildet haben: auf der einen Seite die ausgleichende Gerechtigkeit, Corrective Justice, und auf der anderen Seite die ökonomische Analyse des Deliktsrechts.
Auffallend und abweichend zu dem deutschen Schadensrecht ist, dass das amerikanische Recht die früher vertretene Ausgleichsfunktion zunehmend aufgegeben hat. Dies liegt in der Ineffizienz des Deliktsrechts begründet, weil dessen Kosten - etwa für Gerichte und Rechtsanwälte - zu hoch sind, um zu bestimmen, ob ein Opfer zum Schadensersatz berechtigt ist. Die Diskussion über eine Ökonomisierung des Systems ist momentan im Gange. Des Weiteren kann ein Mitverschulden des Opfers im amerikanischen Recht durch die Rechtsinstitute der Contributory Negligence und der Comparative Negligence sowie im deutschen Recht durch §254 BGB den Schadensersatzanspruch reduzieren oder gar ausschließen. Nähme man an, dass Ausgleich das Ziel des Deliktsrechts sei, dann würde das Recht den Anspruch allein nach den Bedürfnissen des Opfers ausgestalten und nicht bei Vorliegen eines Mitverschuldens weniger als das Notwendige zusprechen. Gegen den Ausgleichsgedanken spricht dazu, dass das Deliktsrecht viele Opfer gar nicht entschädigen kann, weil schon der haftungsbegründende Tatbestand, etwa das Kausalitätserfordernis, nicht erfüllt ist. Entscheidend ist eben nicht nur, ob das Opfer einen Schaden erlitten hat, sondern auch wie der Schaden entstanden ist. Das Deliktsrecht entschädigt nur diejenigen, die zum Schadensersatz berechtigt sind. Es bezweckt damit den Nichtausgleich nicht weniger als den Ausgleich. Daher lässt es sich nur durch einen dem Ausgleichsziel übergeordneten Zweck erklären.
Nach wie vor ist der Schadensausgleichsgedanke ein zentrales Element des amerikanischen Haftungsrechts, aber eben zum einen nicht mehr auf der Seite der Haftungsbegründung, sondern nur noch auf der Seite der Haftungsfolgen. Und zum anderen wird er nicht mehr als eigenständiges Ziel des Deliktsrechts angesehen, sondern lediglich als Mittel, um die neu herausgearbeiteten und oben untersuchten Ziele der haftungsbegründenden Regeln des Deliktsrechts zu erreichen. Dies bedeutet etwa für die Theorie der ausgleichenden Gerechtigkeit, wie bereits ausgeführt, dass der Täter das Opfer nicht des Ausgleichs wegen entschädigt, sondern um das moralische Gleichgewicht zwischen ihnen wiederherzustellen oder weil es rechtens ist, dies zu tun. Und für die Vertreter der Präventionstheorie entschädigt der Täter das Opfer allein deshalb, um zukünftige Delikte zu verhindern.
Im deutschen Deliktsrecht ist die Ausgleichsfunktion dagegen nach wie vor fest verankert und wird nur vereinzelt in Frage gestellt. Zwar werden auch hier dem Deliktsrecht andere Funktionen zugesprochen, wie etwa von einem Teil der Lehre eine Präventionswirkung und eine Steuerungsfunktion. Ausgangspunkt aller Überlegungen ist aber bei den überwiegenden Ansichten stets die Ausgleichsfunktion. Sie wird als primäre Funktion genannt, während die anderen Funktionen lediglich als Sekundärfunktionen eingeordnet werden. Eine Diskussion, ob Ausgleich tatsächlich das vorrangige Ziel des Deliktsrechts sein kann, gibt es kaum. Gleichzeitig wird die Ausgleichsfunktion unterschiedlich verstanden. Teilweise wird sie nicht nur im engeren Sinne eines Schadensausgleichs aufgefasst, sondern umfasst auch Momente der Rechtsverfolgung und der Genugtuung.
Vergleicht man die unterschiedlichen Ansätze beider Länder, lässt sich als Unterschied festhalten, dass im amerikanischen Recht eine ausführliche Diskussion über verschiedene Funktionen stattfindet, wobei Ausgleich lediglich als ein Mittel verstanden wird, den vorgeschlagenen Funktionen des Deliktsrechts zu dienen. Zudem kommt auch dem Strafschadensrecht eine gesonderte Funktion zu. In Deutschland ist der Begriff der Ausgleichsfunktion so dominierend, dass sein Inhalt wenig untersucht wird. Gleichwohl ist in den letzten Jahren eine Angleichung in der Höhe der Schadensersatzzahlungen zu erkennen. So ist in Deutschland in den letzten Jahren die Höhe der zu zahlenden Summen gerade für schwerste Schädigungen deutlich angestiegen. Gleichzeitig sind in den USA Maßnahmen getroffen worden, die Schadensersatzhöhe durch gesetzliche Beschränkungen einzugrenzen.
E. Literatur
An dieser Stelle wird auf die für den Aufsatz verwendete Literatur hingewiesen.
I. Deutsches Schadensersatzrecht
Aufsätze: Ebbing, Frank, Ausgleich immaterieller Schäden, ZGS 2003, 223-231; Katzenmeier, Christian, Die Neuregelung des Anspruchs auf Schmerzensgeld, JZ 2002, 1029-1036; Keilmann, Annette, Oft unterschätzt: Allgemeines Schadensrecht, JA 2005, 700-703; Müller, Gerda, Das reformierte Schadensersatzrecht, VersR 2003, 1-13; Schäfer, Carsten, Strafe und Prävention im Bürgerlichen Recht, AcP 202 (2002), 397-434; Wagner, Gerhard, Ersatz immaterieller Schäden: Bestandsaufnahme und europäische Perspektiven, JZ 2004, 319-331.
Lehrbücher: Fuchs, Maximilian, Deliktsrecht, 6. Auflage, 2006; Huber, Christian, Das neue Schadensrecht, 2003; Kötz, Hein/Wagner, Gerhard, Deliktsrecht, 10. Auflage, 2006; Medicus, Dieter, Bürgerliches Recht, 20. Auflage, 2005; Wagner, Gerhard, Das neue Schadensersatzrecht, 2003;
II. Amerikanisches Schadensersatzrecht
Deutschsprachige Lehrbücher: Blumenwitz, Diether, Einführung in das anglo-amerikanische Recht, 7. Auflage, 2003; Hay, Peter, US-Amerikanisches Recht, 3. Auflage, 2005; Reimann, Mathias, Einführung in das US-amerikanische Privatrecht, 2. Auflage, 2004;
Deutschsprachige Aufsätze: Cordewener, Axel, Strafschadensersatz, (Punitive Damages) im US-amerikanischen Law of Torts, JA 1998, 168-176; Göthel, Stephan R., Funktionen des Schmerzensgeldes – Gedanken am Beispiel des US-amerikanischen Rechts, RabelsZ 69 (2005), 255-307.
Amerikanische Aufsätze: Avraham, Ronen, Putting a Price on Pain-and-Suffering Damages: a Critique of the Current Approaches and a Preliminary Proposal for Change, Nortwestern University Law Review Vol. 100, No. 1; Blumstein, James F., Making the System Work Better: Improving the Process for Determination of Noneconomic Loss, New Mexico Law Review, 2005; Comand, Giovanni, Towards a Global Model for Adjudicating Personal Injury Damages: Bridging Europe and the United States, Temple International and Comparative Law Journal, 2006; King, Joseph H., Pain and Suffering, Noneconomic Damages, and the Goals of Tort Law, Southern Methodist University Law Review 2004, 164-208.
Amerikanische Lehrbücher: Dobbs, The Law of Torts, 1996.
*
Klaus Weber studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Im Juni 2006 wird er seinen Referendardienst am Oberlandesgerichtsbezirk Köln antreten. Seine Interessenschwerpunkte liegen im allgemeinen Zivilrecht, Wirtschaftsrecht und der Vertragsgestaltung.
Sein Dank gilt Herrn Rechtsanwalt Clemens Kochinke, MCL, Attorney at Law für wertvolle Anregungen und Hilfestellungen.
Zitierweise / Cite as: Weber, Schmerzensgeldansprüche in Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, 15 German American Law Journal (13. April 2006), http://www.amrecht.com/weber2006schmerzensgeld.shtml
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